© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Mehr Duett als Duell
Nordrhein-Westfalen II: Trotz magerer Bilanz von Rot-Grün, bleibt die CDU ohne Biß
Ronald Berthold

Irgendwie läuft es nicht. Die nord-rhein-westfälischen Grünen stolpern von einer Peinlichkeit in den nächsten Fettnapf. Erst wird Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann dabei fotografiert, wie sie in einer Seitenstraße kurz vor einem Wahlkampftermin offenbar heimlich vom großen Dienst-Audi in einen kleinen Hybridwagen umsteigt. Dann stellt sich heraus, daß ihr pressewirksamer Haustürwahlkampf gefakt ist. Was die 61jährige als „gute Resonanz“ bei Twitter feierte, war in Wirklichkeit der gestellte Besuch beim Bruder einer Parteifreundin.

Dabei wollte die Schulministerin gerade mit solchen PR-Aktionen die Regierungspartei aus dem Tief führen. Stattdessen beschädigte sie ihre Glaubwürdigkeit weiter. Hinzu kommt keine erfolgreiche Regierungsbilanz. NRW ist an vielen Stellen Schlußlicht Deutschlands, und die von Löhrmann verantwortete Bildungspolitik bringt Eltern gegen sie auf. Folge: Die Grünen könnten nicht nur aus der Regierung, sondern womöglich auch aus dem Landtag gewählt werden. Umfragen sahen sie zuletzt aber wieder sicherer über der Fünfprozenthürde. Trotzdem deuten sich schwere Verluste im Vergleich zu 2012 (11,3 Prozent) an. 

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft muß spätestens nach der Schleswig-Holstein-Wahl fürchten, mit ihrer SPD ebenfalls erdrutschartig zu verlieren. Denn der Trend war schon vorher negativ. Die Forschungsgruppe Wahlen maß ihre Partei am Freitag vor jenem Kieler Wahlsonntag lediglich bei 32 Prozent (2012: 39,1 Prozent). Wenn sich die Stimmung weiter so rapide verschlechtert und der Gegenwind von der Küste dies noch verstärkt, ist nicht ausgeschlossen, daß die SPD sogar noch darunter fällt.

Dennoch könnte die 55jährige Regierungschefin bleiben. Und das liegt weniger an ihrer Politik, sondern zuerst an der Schwäche der größten Oppositionspartei. Denn die CDU präsentiert sich trotz des weitreichenden Versagens der Regierung nicht als Alternative. Spitzenkandidat Armin Laschet ist kaum imstande zu sagen, was er besser machen möchte. 

Selbst beim als „Duell“ bezeichneten und von FDP-Frontmann Christian Lindner als „Duett“ verspotteten TV-Streitgespräch mit der Amtsinhaberin antwortete er auf die Frage nach seinem Programm mit einem „Lassen Sie uns bei der Analyse bleiben.“ Daß Laschet selbst in den eigenen Reihen als „der Lasche“ verspottet wird, liegt nicht nur an seinem Namen. Der 56jährige Merkel-Verehrer liefert statt scharfer Angriffe eher durch die Blume gereichte untertänige Angebote für eine Große Koalition.

Auf die wird es wahrscheinlich auch hinauslaufen – und das trotz des schwachen Bilds, das Laschet abgibt, möglicherweise sogar unter seiner Führung. Denn die CDU könnte ihr schlechtestes Ergebnis in der NRW-Geschichte, das sie 2012 mit 26,3 Prozent einfuhr, nach den Prognosen wohl um fünf bis sechs Punkte verbessern und eventuell sogar die SPD überholen. Sie steht derzeit ebenfalls bei 32 Prozent.

Wie sehr es der CDU jedoch an eigenem Esprit fehlt, macht auch Laschets Claim „Zuhören. Entscheiden. Handeln“ deutlich. Damit war der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits vor 23 Jahren in den niedersächsischen Landtagswahlkampf gezogen. Auch das Wahlplakat „Ich fühl mich hier nicht mehr sicher. Warum tun die nichts?“ löst vielfach Kopfschütteln aus. War es doch die von Laschet vehement unterstützte Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die diese Zustände mit verursacht hat.

Innere Sicherheit bleibt dennoch ein großes Thema. Die massenhaften Silvester-Übergriffe, das Versagen bei einer möglich gewesenen Festnahme des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri, die deutschlandweit höchste Zahl von Wohnungseinbrüchen pro Kopf und die explodierende Zuwanderer-Kriminalität müßten bei der Schwäche von SPD und CDU der AfD in die Karten spielen. Doch die durch zahlreiche interne Streitigkeiten selbst geschwächte Partei wird zwischen Rhein und Ruhr wohl kein zweistelliges Ergebnis erzielen. YouGov sieht den von Marcus Pretzell geführten Landesverband zwar bei elf Prozent, doch die anderen Demoskopen prognostizieren nur noch sechs bis acht – Tendenz fallend. Im Vergleich zum Sommer, als die AfD bei bis zu 13 Prozent lag, wäre dies ein fast schon ernüchterndes Ergebnis.

Wahrscheinlich wird sie sich hinter der FDP (2012: 8,6 Prozent) einordnen müssen, die bei bis zu zwölf Prozent liegt. Deren Wahlkampf wirkt bissiger, und die Partei profitiert vom telegenen Christian Lindner, dessen Spitzenkandidatur allerdings eine Problematik birgt. Denn gelingt den Liberalen der Einzug in den Bundestag, würde Lindner sein Düsseldorfer Mandat nur vier Monate später wieder zurückgeben. Das hat er angekündigt.

Während die Piraten auch in NRW aus dem Parlament fliegen werden (2012: 7,8 Prozent), könnte die Linke ihr Ergebnis auf fünf bis sechs Prozent verdoppeln und in den Landtag einziehen. Mit Blick auf die bundesweite Wirkung dürfte Kraft allerdings auf ein rot-rot-grünes Bündnis verzichten – selbst, wenn es denn möglich wäre. Aus den gleichen Gründen wird die FDP wohl keine Ampelkoalition eingehen. So läuft alles auf ein SPD-CDU-Bündnis hinaus, und inhaltlich liegen beide Parteien auch nicht weit auseinander.