© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Zu den bemerkenswerten Ergebnissen der von de Maizière angestoßenen Leitkulturdebatte gehört, daß sich niemand für die Stellungnahme interessiert, die Habermas abgab.

˜

 „Das Grabmal des Theoderich ist eine Stelle in Italien, auf welcher der Deutsche, wenn er vor ihm in der grünen Wildnis steht, vom Hauche der Geschichte und von schwermütiger Liebe zu seinem großen Vaterlande durchdrungen wird. Die Schatten jenes heldenhaften Jahrhunderts, wo das Epos des griechischen Homer sich mit den deutschen Nibelungen zu verschmelzen scheint, schweben um dies ernste Gotengrab“ (Ferdinand Gregorovius, 1863) „Am Stadtrand erhebt sich aus einer Grünanlage das monumentale, außen schneeweiße und innen düster-depressive Mausoleo di Teodorico, in dem der Gotenkönig posthum residieren wollte. Weil sein Leichnam abhanden kam, birgt das seit 520 erbaute, dreigeschossige und gut 15 m hohe Grabmal, das als Unesco-Weltkulturerbe gewürdigt wird, allerdings nur einen leeren Sarkophag, dessen Design einer Badewanne nachempfunden scheint.“ (Dumont-Reiseführer, 2016)

˜

Es gibt keine feinen Leute mehr.

˜

Bildungsbericht in loser Folge CIII: Zu den Topreferenten des diesjährigen „Deutschen Schulleiterkongresses“ gehörten der Fernsehkomiker Eckart von Hirschhausen, der Bergsteiger Reinhold Messner, der Zirkusdirektor André Sarrasani und der Schiffskapitän Klaus Heinrich Block. Wie man hört, war die Stimmung ausgezeichnet.

˜

Noch zu Theoderich: Die Zeichen seiner Herrschaft sind fast vollständig getilgt, von seinem Palast in Ravenna blieben nur ein paar Säulen, Kapitelle, Bogenfragmente, im Nationalmuseum genügt ein einziger Raum, um die kläglichen Reste auszustellen. Wenigstens gibt es noch das arianische Baptisterium, das unter seiner Herrschaft errichtet wurde. Es gehört nicht zu den großen Sehenswürdigkeiten Ravennas, ist ausgeräumt wie das Grabmal, nur das Deckenmosaik hat sich erhalten. Es ist ungleich schöner als das in der anderen Taufkirche am Bischofspalast – das Baptisterium des Neon – und erinnert mit der Darstellung der Taufe des blonden Christus im Jordan an die Zähigkeit, mit der unsere Vorfahren an der Ketzerei festhielten, daß der Herr durch Adoption zum Gottessohn wurde.

˜

Vor der Entscheidung über die französische Präsidentschaft zwischen Macron und Le Pen hat Eric Zémmour deren politische Dimension auf zwei Punkte gebracht: 1. Hinter Le Pen steht die Arbeiterklasse, „die nichts mehr zu verlieren hat als ihr Vaterland“, und 2. die bürgerlichen Parteien der Fünften Republik seien erledigt, denn Frankreich stehe auf der Rechten, die Linke behalte nur die Macht.

˜

Saudi-Arabien ist in die Kommission für Frauenrechte der Uno gewählt worden. 47 der 54 Mitglieder des Rates für Wirtschaft und Soziales stimmten für die Aufnahme.

˜

Ein Letztes zu Theoderich: Man vergißt viel von den Helden seiner Kindheit, aber Dietrich von Bern, in dessen Sagengestalt sich Theoderich verwandelt hat, ist mir immer in Erinnerung geblieben. Ich zog ihn Siegfried und sogar Hagen vor (für den ich eine meiner Deutschlehrerin äußerst verdächtige Sympathie hegte), und besonders gut gefiel mir, daß er drachenartig Feuer spie, wenn ihn die Kampfwut erfaßte – aber erst dann.

˜

Rassismus: Oft vergessen wird, daß die Überprüfung „unamerikanischer“ Gesinnung ihren Anfang nahm, als die US-Regierung 1917 wegen des Kriegseintritts gegen Deutschland daranging, Miesmacher und Kritikaster, wirkliche oder vermeintliche Saboteure des Wehrwillens zu jagen. Dabei standen die Maßnahmen zur Förderung der „Freiwilligkeit“ des Eintritts in die Streitkräfte im Vordergrund, aber es ging auch gegen Pazifisten und die natürlichen Sympathisanten des Feindes, insbesondere Staatsbürger deutscher Herkunft. Die Repressalien selbst – von der gründlichen „Abreibung“ über Teeren und Federn bis zum Lynchen – überließ man besorgten Bürgern oder nahm gern die Hilfe jener Organisationen in Anspruch, die für ihre einschlägige Haltung bekannt waren – der Ku- Klux-Klan etwa.

˜

Am 28. Mai erhält Rüdiger Safranski den Börne-Preis. Ein Grund, ausnahmsweise hinzuhören, wenn ein Ausgezeichneter etwas sagt. So etwas zum Beispiel: „Konservative Positionen sind in Deutschland gegenwärtig fast undenkbar. Es gibt eine flächendeckende Sozialdemokratisierung. Wer beispielsweise behauptet, der Nationalstaat sei ein Zukunftsmodell, weil es in größeren Formaten notwendigerweise ein Demokratiedefizit gibt, wie das EU-Europa beweist, der gilt als rechts. Und rechts meint in Deutschland gegenwärtig soviel wie rechtspopulistisch, also rechtsradikal, also rechtsextrem, also Nazi, das sind die Gleichsetzungsdelirien in der deutschen Öffentlichkeit.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 26. Mai in der JF-Ausgabe 22/17.