© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/17 / 12. Mai 2017

Haltungsnote
Fragmentierung statt Leitkultur
Gil Barkei

Wenn der Innenminister den Bergriff „deutsche Leitkultur“ wieder aufwärmt, dann läßt die Kritik der üblichen Verdächtigen von links nicht lange auf sich warten. In einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post kritisiert der Philosoph Jürgen Habermas die Äußerungen von Thomas de Maizière. Das Grundgesetz sei mit der „Propagierung einer deutschen Leitkultur unvereinbar“. Denn „eine liberale Auslegung“ der Verfassung verlange eine „allen Bürgern gleichermaßen zugängliche und zugemutete politische Kultur“. Diese erlaube Minderheiten, „kulturelle Rechte“ einzuklagen, ihre jeweilige Lebensform zu wahren. „Keine Muslima darf dazu genötigt werden, beispielsweise Herrn de Maizière die Hand zu geben.“ Zudem verändere sich die politische Kultur fließend. Dabei könnten die „Eingebürgerten“ wie die „Alteingesessenen“ mit ihren Vorstellungen den „Prozeß der Fort- und Umbildung“ mitbestimmen. Die „Konservierung einer Leitkultur“ widerspräche daher nicht nur einem liberalen Grundrechteverständnis, sondern sei auch unrealistisch. Allerdings müßten sich Einwanderer in den „geschichtlichen Kontext der neuen Heimat“ einleben. Sprich: Nichts muß übernommen werden bis auf den deutschen Schuldkomplex.