© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Schon wieder überschuldet
Finanzmarkt: Noch keine Kreditblase, aber hohe Außenstände bei US-Studien- und Automobildarlehen
Thomas Kirchner

Dreistellige Milliardenrisiken im Markt für Studien- und Autokredite. Eine drohende Immobilienblase in Deutschland – also in zehn Jahren nichts gelernt? Banker, Wirtschaftsführer und Politiker versprachen, daß unbegrenztes Schuldenmachen der Vergangenheit angehören werde. Am 7. Februar 2007 mußte die britische HSBC 10,5 Milliarden Dollar für Kreditausfälle zurückstellen, weil faule US-Hypotheken auf neue Rekordwerte schnellten.

Damit läutete das 1865 als Hongkong and Shanghai Bank gegründete und damals drittgrößte Geldhaus der Welt die Finanzkrise ein. Anderthalb Jahre später folgten der Konkurs von Lehman Brothers und zahllose Bankenrettungen und Pleiten. 2009 wurde General Motors notverstaatlicht und erst 2013 wieder vollständig privatisiert. Daimler verlor Milliarden bei seiner Chrysler-Beteiligung, Fiat übernahm den bankrotten US-Autobauer.

Doch in Zeiten von Niedrigzinsen bleibt Vernunft außen vor. Die Keynesianer an den Schalthebeln ermöglichen, daß sich nicht nur Staaten und Firmen, sondern auch Privatleute wieder fleißig verschulden. Einige der Hypotheken-exzesse sind abgestellt: Schuldner brauchen Eigenkapital und müssen ihr Einkommen nachweisen. Exzesse bei Immobiliendarlehen gibt es zumindest in den USA nicht mehr. Dafür macht sich nun Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret „ernste Sorgen“: Momentan gebe „es in Deutschland keine Immobilienblase, die die Finanzstabilität akut gefährdet. Aber die Ampel steht auf Gelb“, so der Bankenaufseher.

Seit 2010 seien in 127 deutschen Städten die Immobilienpreise um fast die Hälfte gestiegen; in sieben Großstädten waren es sogar mehr als 60 Prozent. Und: „Die Verschuldung der Haushalte mit ausstehenden Immobilienkrediten ist sowohl absolut als auch relativ zum Einkommen gestiegen“, so Dombret. Die US-Hypothekenschulden sind zwar niedriger als vor der Finanzkrise, aber die Sorgenkinder Auto- und Studienkredite haben diesen Rückgang ausgeglichen: Amerikanische Haushalte haben ihre Gesamtverschuldung inzwischen auf das Niveau vor der Finanzkrise erhöht. 

Die Lage ist dramatisch: 44 Millionen Amerikaner haben noch Studienkredite offen über insgesamt 1,4 Billionen Dollar. Elf Prozent davon werden innerhalb der ersten sieben Jahre Laufzeit als probematisch eingestuft. Sie werden nicht oder nur mit Verspätung bedient, bei anderen können sich die Schuldner in dem Zeitraum nur die Zinsen leisten, aber keine Tilgung. Neun Prozent aller Kredite werden derzeit nicht bedient, und bei 23 Prozent werden Zahlungen zeitweise gestundet oder aufgeschoben.

Das Ausfallrisiko trägt am Ende der Steuerzahler

Insgesamt ein Drittel aller Kredite ist also notleidend. Während der US-Immobilienkrise wurden nur zehn Prozent so eingestuft. Das US-Bildungsministerium geht von einem Wachstum des Kreditvolumens auf 3,3 Billionen Dollar bis 2024 aus. Die Hypotheken sind zwar dreimal so hoch, allerdings steht ihnen ein Sachwert gegenüber, wogegen Studienkredite naturgemäß unbesichert sind. Die Hälfte aller Studenten ist aber davon überzeugt, daß der Staat letztlich alle Studienkredite stunden wird. Präsident Barack Obama hat diesen guten Glauben noch bestärkt, als er per Dekret einkommensabhängige Rückzahlungen einführte. Schließlich hatte ihm die studentische Jugend mit zum Wahlsieg verholfen.

Das Ergebnis ist die systematische Überschuldung frischgebackener Akademiker, die im Schnitt elftausend Dollar mehr leihen, als sie eigentlich bräuchten. Angehende Mediziner, BWLer und Juristen sitzen auf besonders hohen Schuldenbergen. Der Sohn des Ex-Zentralbankchefs Ben Bernanke beendete sein Medizinstudium mit 400.000 Dollar Schulden. In diesen Berufsgruppen sind die Gehälter aber hoch genug, um die Studienkredite nach wenigen Berufsjahren zu tilgen. Ein Philosophieabsolvent muß hingegen im Schnitt ein Fünftel seines mageren Einkommens für die Schuldenlast aufbringen – bei vielen liegt der Schuldendienst noch weit höher.

Ähnlich wie beim Bafög wird die Mehrzahl der Studienkredite vom Staat garantiert, damit überhaupt jemand eine Studienfinanzierung bereitstellt. Von diesen staatlich garantierten Krediten können Schuldner selbst durch eine Privatinsolvenz nicht befreit werden – daher zahlen selbst Rentner noch ab. Das Risiko trägt am Ende der Steuerzahler. Für das laufende Haushaltsjahr werden die Verluste aufgrund Obamas einkommensabhängiger Rückzahlungen auf 74 Milliarden Dollar geschätzt. 352 Milliarden Dollar befinden sich derzeit in diesem Programm. Für 137 Milliarden muß wohl der Steuerzahler einspringen.

2016 erreichte der US-Markt mit 17,55 Millionen abgesetzten Neufahrzeugen ein Allzeithoch, aber bei der Autofinanzierung sieht es düster aus. Diese Kredite werden gebündelt, tranchiert und an Investoren verkauft, wie es auch bei Hypotheken üblich ist. Mit 900 Milliarden Dollar beträgt das Kreditvolumen fast so viel wie bei Studienkrediten. Durch Kunden schlechter Bonität sind zwölf Prozent aller Autofinanzierungen notleidend. Großbanken sind Autokredite inzwischen zu riskant, sie setzen kein eigenes Kapital dafür mehr ein, sondern reichen sie als Verbriefung an mutige Investoren weiter. Diese 200 Milliarden können aber noch keine neue Weltfinanzkrise auslösen.

Für die deutsche Autoindustrie, deren zweitgrößter Exportmarkt nach Großbritannien die USA sind, ist das ein schlechtes Omen. Ihnen drohen nicht nur Verluste bei ihren Leasingtöchtern, sondern auch das Ende des Trends zu immer teureren und luxuriöseren Pkws. Gut möglich, daß Verbraucher bald freiwillig billigere amerikanische Autos kaufen, ohne daß Donald Trump mit Strafzöllen nachhelfen muß.

Staatliche Studienförderung in den USA:  studentaid.ed.gov

Immobilienvortrag von Andreas Dombret:  www.bundesbank.de/