© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Dorn im Auge
Christian Dorn

Der Muttertag mutiert in der CDU-Bundesgeschäftsstelle am Abend der NRW-Wahl zum „Mutti“-Tag – denn Merkels Musterschüler, Generalsekretär Peter Tauber, tauscht Deutschland und Europa gegen die Partei ein, die an diesem Ort selbstverständlich „immer recht“ hat. Absurd, ohne es genauer begründen zu können, erscheint mir die Anwesenheit Günter Nookes, des einstigen DDR-Bürgerrechtlers, der sich – immer noch – als „Afrikabeauftragter“ der Bundesregierung vorstellt. Inzwischen, so mein unwillkürlicher Gedanke, könnte hier Louis Fürnbergs SED-Hymne gespielt werden. Eröffnete Tauber bei früheren Wahlsiegen seinen Auftritt mit dem Mantra „Das ist ein guter Tag für Deutschland und für Europa“, ist es diesmal – bei der „kleinen Bundestagswahl“ – nur „ein guter Tag für die CDU“. In der Tat kann sich Mutti freuen: Auch in ihrer Abwesenheit gibt sich die Basis linientreu. Insbesondere die jüngsten Anwesenden im Schüler- und Studentenalter sekundieren ihrer Kanzlerin und verteidigen mit vorgestanzten Argumenten die „alternativlose“ Politik Merkels.


Sie erinnern unversehens an die geklonten Adepten eines popmusikalischen Mainstreams von Einförmigkeit und Langweile, die den Großteil des „Eurovision Song Contest“ repräsentieren – als resultiere ein „Perfect Life“ aus der Retorte. Wie ein Fingerzeig Gottes erschallen am Vorabend vom Portal der Gethsemanekirche – unter dem Motto: „Lauter / Leiser / Luther“ – die Worte des Reformators: „Der Glaube ist der Anfang aller guten Werke. Wo Glaube ist, da ist auch Lachen. Gott will, daß die Menschen fröhlich sind, darum hat er alles so schön gestaltet. Einen traurigen, verzagten Menschen fröhlich zu machen ist mehr, als ein Königreich zu erobern. Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen. Denn ihr erster Ursprung ist von dem Himmel selbst genommen, weil die lieben Engelein selber Musikanten sein. (...) Auf gute und böse Gedanken gehört ein fröhliches Lied.“


Im Café belebt sich meine Stimmung durch die Weisen von George Michael („Faith“), George Harrison („I Got My Mind Set On You“), Prince („Kiss“), Queen („Another One Bites The Dust“), Michael Jackson und Mick Jagger („State of Shock“) sowie David Bowie („China Girl“), die zufällig alle hintereinander laufen, als wollten auch sie Luther bezeugen: Mitten im Leben vom Tod umfangen. Doch auch dafür gibt es inzwischen eine App: Wer den betreffenden Song nicht kennt, dem nennt das Liederkennungsprogramm „Shazam“ binnen weniger Sekunden Titel und Interpret.