© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/17 / 19. Mai 2017

Kampf der Mutterschaft
Die Gender-Soziologin Christina Mundlos sieht im Alleinerziehen das Ideal weiblicher Selbstbestimmung
Martin Voigt

Das traditionelle Frauen- und Mütterbild ist für die Soziologin Christina Mundlos ein Grundübel. Bekannt wurde Mundlos, Jahrgang 1982, mit einem Buch über das Phänomen „Regretting Motherhood“ – Mütter, die bereuen, Mütter geworden zu sein. Ihr aktuelles Buch trägt den Titel „Dann mache ich es halt allein. Wenn Singlefrauen sich für ein Kind entscheiden und so ihr Glück selbst in die Hand nehmen“.

Im Fokus steht weniger das ersehnte Kind als vielmehr das „Ich will“ und zwar „allein“. Das Kind ist nicht länger Geschenk und Symbol der Liebe zwischen Mann und Frau, sondern die künstliche Befruchtung bestätigt die neue Autonomie vom Mann. Freilich möchte die ehemalige Offiziersanwärterin „Vorurteilen“ den Wind aus den Segeln nehmen. Schon im Klappentext steht: „Oft liegt es nicht daran, daß diese Frauen Karriere machen wollen, sondern daran, daß immer mehr Männer kein Interesse an einer festen Beziehung oder gar an Kindern haben – Generation beziehungsunfähig.“ Der Mann hat im Buch der zweifachen Mutter die Rolle des Lebemanns oder eines tumben Auslaufmodells inne, das den Wandel der Geschlechterrollen „verschlafen“ hat. Moderne Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung als Alternative für Frauen, die bisher nicht „den Richtigen“ im Bett hatten, bilden lediglich den Aufhänger zur feministischen Profilierung auf über 200 Seiten.

Das eigentliche Anliegen ist die Selbstvergewisserung in einem Leben voller Widersprüche. Die klassischen feministischen Dilemmata nehmen denn auch den meisten Raum ein: Sehnsucht nach Liebe und Annahme trotz eines konfliktbeladenen Männerbilds. Sehnlicher Kinderwunsch gepaart mit bitterer Antimütterlichkeit. Die Frauenbewegung der 1970er Jahre habe „aus Sklavinnen frei Bürgerinnen gemacht“, schreibt Mundlos. Sie möchte wertneutral über den Dingen stehen, doch mit jeder Seite nimmt ihre Sicht auf Mütter mehr Konturen an: Da gibt es die taffen, selbstbestimmten Mütter, die vor allem unter gehässigen „Hausfrauenmüttern“ einen schweren Stand hätten, sich aber aus „dem gesellschaftlichen und biologischen Korsett“ befreiten. 

Die selbstunsicheren „Hausfrauenmütter“ würden am liebsten auch arbeiten gehen, aber ihre aufopfernde Rolle gegenüber dem Nachwuchs sei nun einmal die einzige Möglichkeit, in patriarchalischen Familien Anerkennung vom Mann zu erhalten. Ihre Selbstverleugnung würden sie kompensieren, indem sie „andere Arten, seine Kinder zu betreuen“, scharf kritisierten und „andere Mütter mit ungebetenen Ratschlägen und besserwisserischen Tips“ belästigten. Manche hätten gar „ein biologistisches Mütterbild“ und würden sich kämpferisch für das Stillen und gegen die Betreuung in Krippen aussprechen.

Mit einer zwischenzeiligen Abfälligkeit typisiert die Autorin Mütter, die gerne backen und basteln, die sich für ökologische Babynahrung begeistern, die „etwas besonders Gutes für ihr Kind tun“ möchten und von Herzen gern Mutter und Hausfrau sind. Wann immer die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Langenhagen das Bild einer stutenbissigen Übermutter zeichnet, ist es eine, die insgeheim unglücklich im Traditionellen verhaftet ist oder die mit Hingabe stillt, selbst kocht und Fremdbetreuung intuitiv ablehnt.

Mundlos denunziert Mütterlichkeit als Nazi-Ding

Mundlos schreibt von Eltern im Ratgebersumpf und einem regelrechten „Förderwahn“ mit Dutzenden Babykursen und Krabbelgruppen. Anstatt die Unsicherheit dem eigenen Kind gegenüber klar zu benennen, die Mütter dazu bringt, die gemeinsame Zeit mit Förderung zu überfrachten, bemüht sie das Paradigma der benachteiligten Frau, die sich zwischen Beruf, Partnersuche und Kind aufreibt. Ihr scharfer Blick auf oberflächliche Flirt-Apps, unverbindliche moderne Beziehungen und brüchige Ehen führt zum trotzigen Vergleich mit den Eltern und Großeltern, „die ein Leben lang in einer Ehe blieben, weil sie es aus finanziellen Gründen mußten“.

Das ideologische Leitmotiv findet sich im umfangreichsten Kapitel: „Von der Hausfrauenehe zur selbstbestimmten Mutterschaft.“ Konservative Familienvorstellungen gilt es aufzudecken: „Alleinerziehende, Regenbogenfamilien, Patchwork-Familien“ und vielfältige weitere Lebensentwürfe würden die „falschen“, die „veralteten und überholten Vorstellungen der Kleinfamilie mit Mutter, Vater und Kind“ aufbrechen. Vor allem die „intensive Mutter-Kind-Beziehung“ scheint ein Stachel im feministischen Fleisch zu sein. Mundlos tut sie als idealistische Erfindung ab, obwohl empathische Mütterlichkeit als archetypisches Verhaltensmuster bekannt ist (JF 27/15). Kinder seien früher oft auf sich selbst gestellt gewesen. In welchem Alter? Es ist ein Unterschied, ob ein Bauernkind auf dem elterlichen Landgut herumstreunte, sich aber stets rückversichern konnte, oder ob ein Baby täglich in die Krippe gegeben wird.

Um die institutionelle Kinderbetreuung zu rechtfertigen und die Bindung von Säuglingen an ihre Mutter als Ideologie zu entlarven, betont Mundlos das Ammenwesen und gewährt ihren Lesern nur einen selektiven Blick in die Bindungstheorie. Kinder können auch ohne ihre Eltern überleben und zu Ersatzeltern eine Primärbindung eingehen. Aus dem Notprogramm wird flugs der Königsweg für die künstlich befruchtete Alleinerziehende. Wer so geschickt aus der Bindungsforschung zitiert, weiß, daß bei täglicher Fremdbetreuung von Kleinstkindern weder zur Mutter noch zur Krippentante eine stabile Primärbindung entstehen kann. Kein Wort über die medizinischen Langzeitstudien, die der Krippenbetreuung ein schlechtes Zeugnis ausstellen (JF 28/14).

Überhöhte Mütterlichkeit sei ein Ding der Nazis gewesen, so Mundlos. Wirklich? Eine empathische Bindung zum Kind war im nationalsozialistischen Weltbild eher als „Affenliebe“ verpönt. Statt dessen galt das hartherzige Erziehungsprogramm der Kinderärztin Johanna Haarer (JF 16/16). Mit Halbwahrheiten und Vermengungen untermauert Mundlos ihr Singlefrauen-Weltbild.

Christina Mundlos: Dann mache ich es halt allein. Wenn Singlefrauen sich für ein Kind entscheiden und so ihr Glück selbst in die Hand nehmen. Münchner Verlagsgruppe, München 2017, broschiert, 224 Seiten, 16,99 Euro