© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Die Lieblingsanlage der Deutschen rechnet sich nicht mehr
Finanzmarkt: Der Wirtschaftspublizist Michael Grandt warnt, daß sich Lebens- und Rentenversicherungen nicht mehr lohnen / Die Eurokrise fordert ihren Tribut
Peter Offermann

Droht das „Ende der Lebensversicherung“? Der Buchtitel von Michael Grandt mag drastisch klingen, doch selbst der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kann die Lage nicht mehr schönreden: 2016 waren 89,3 Millionen Policen registriert. Vier Jahre zuvor waren es noch 93 Millionen gewesen – trotz politisch-medialer Unterstützung und Milliardensubventionen durch die Steuerzahler.

Wenn der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, vorrechnet, daß sich 95 Prozent der Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge (LV) nicht mehr lohnen, ließ sich das früher von Branchenvertretern als Mießmacherei von Verbraucherschützern kleinreden. Doch die Lage ist inzwischen todernst: Minuszinsen, wirtschaftliche Verwerfungen, Finanz-, Euro- und Schuldenkrisen, drohende Staatsbankrotte, ein niedriges Dividendenniveau und hohe Vertragskosten sind Gründe für des Ende der Lieblingsanlage der Deutschen.

Trickserei rund um den Garantiezins

Dennoch überwiesen die Versicherten 2016 insgesamt 90,8 Milliarden Euro an die Branche. Und der Staat tut alles, um die Sparer in die Geldfalle zu locken. Eine Riesterrente, die mehr kostet, als sie einbringt, betriebliche Altersvorsorgen, auf die Krankenkassenbeiträge fällig sind, ein LV-Garantiezins, der immer weiter schrumpft. Hinzu kommen allerlei Steuern und Abschläge, die die Rendite immer weiter sinken lassen.

Grandt entlarvt die Behauptung, daß es den Deutschen so gut wie nie zu vor gehe. Dies mag auf die Exportwirtschaft zutreffen, die Privathaushalte werden, obwohl durchschnittlich 27 Prozent beiseite gelegt werden, de facto immer ärmer. Vermögen wird regelgerecht vernichtet. Und auch die Steuerlast zerdrückt die Fleißigen, denn nicht umsonst liegt Deutschland auf Platz 3 der OECD-Länder mit dem höchsten Steuersatz. Des weiteren gibt der Autor einen Einblick in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV). Auch hier sind die Aussichten, wenn nicht massive Reformen stattfinden sollten, düster. Grandts Prognose zufolge wird es in 20 Jahren nur noch eine GRV-Rente auf Sozialhilfeniveau geben. Da nützen dann auch Riester & Co. nichts, denn schließlich werden diese auf die Grundsicherung angerechnet. Experten rechnen derzeit damit, daß Alleinstehende mit einem Einkommen von bis zu 30.000 Euro im Jahr von ihrer GRV-Rente nicht mehr leben werden können.

Ebenfalls gibt Grandt einen Einblick, wie der Staat seine Bürger abzockt. Interessant für alle LV-Kunden ist auch die Trickserei rund um den Garantiezins. Wer weiß schon, daß dieser nicht auf den gezahlten Monatsbeitrag von zum Beispiel 100 Euro, sondern lediglich auf den Sparanteil – abzüglich der Verwaltungskosten, Risikoschutz oder Provisionen – berechnet wird? Und das sind dann je nach Gesellschaft nur noch zwischen 75 und 90 Euro.

Mit jeder Rate werden also bis zu einem Viertel monatlich vernichtet. „Das Ende der Lebensversicherung“ liefert aber auch noch mehr Gründe, weshalb dem Autor zufolge die Lebensversicherung in ihrer jetzigen Form nicht überleben wird, und einen sehr guten Blick hinter die Kulissen einer Branche, die für viele Außenstehende ein Mysterium ist. Dem Leser wird aber nicht nur erläutert, wie die Situation momentan ist und was zukünftig droht, wenn sich durch die Politik nichts ändert.

Michael Grandt hat bereits 28 Bücher veröffentlich, die oft auf den Bestsellerlisten von Spiegel, Manager-Magazin und Handelsblatt standen. Als Wirtschafts- und Finanzexperte hat er an etlichen Reportagen von BBC, ORF, RTL, Sat1 und Pro7 mitgewirkt. Grandt liefert daher zahlreiche Praxistips und hilfreiche Informationen zu jedem Kapitel. Im Praxisteil erklärt er die wichtigsten Alternativen zur Lebensversicherung und wie man vorgehen sollte, damit die Altersvorsorge nicht zum Fiasko wird. 

Michael Grandt: Das Ende der Lebensversicherung. FinanzBuch-Verlag, München 2016, 240 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

Buchlesungen von Michael Grandt:  www.michaelgrandt.de/vortraege/