© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Artenschützer sind alarmiert. Grund: Zahlreiche Vogelarten sind vom Aussterben bedroht. So gingen in der Agrarlandschaft der Europäischen Union in den vergangenen drei Jahrzehnten rund 300 Millionen Brutpaare verloren. Das teilte jetzt Anfang dieses Monats die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Vom Aussterben bedroht sind 29 Arten, weitere 19 gelten als stark gefährdet. Besonders betroffen sind unter anderem Feldlerche, Goldammer, Kiebitz, Braunkehlchen, Rebhuhn. Konkret verzeichnete die Feldlerche seit 1990 einen Bestandsrückgang um 35 Prozent, die Uferschnepfe um 61 Prozent, das Braunkehlchen um 63 Prozent. Die Bestände des Kiebitz schrumpften sogar um 80 Prozent, die des Rebhuhns um 84 Prozent. „Im heutigen Deutschland ist die Artenvielfalt allerorten, bis in die entlegensten Winkel, hochgradig und vielerorts vielleicht sogar schon irreversibel bedroht“, schreibt der führende Vogelkundler Peter Berthold in seinem eben erschienenen Buch „Unsere Vögel“ (Ullstein). Berthold leitete die Vogelwarte Radolfzell und war bis zu seiner Emeritierung langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie. Als wichtigsten Grund für den Bestandsrückgang nennt er die Industrialisierung der Landwirtschaft. Sie habe die Lebensräume der Vögel „weitgehend kaputtgemacht“, sagte er in einem Interview mit der Welt. Die Vögel würden auf den Agrarflächen keine Habitate mehr finden, in denen sie leben und brüten können.


„Ein Vogel, der ein Lied herausschmettert, hat ein Behagen dabei.“ (Oswald Spengler, in: „Urfragen. Fragmente aus dem Nachlaß“)


Für Peter Berthold stellt sich das Vogelsterben in einem größeren Kontext dar. In seinem lesenswerten Buch schreibt er, die gesamte Flora und Fauna sei heruntergewirtschaftet. „Wer in den letzten Jahrzehnten mit offenen Augen durch unsere Lande gegangen oder auch nur gefahren ist“, so Berthold, „dem ist nicht verborgen geblieben: Unsere Natur ist in wesentlichen Bereichen verarmt. Nicht nur unsere Vogelbestände sind stark zurückgegangen, auch Wildblumen wie etwa Klatschmohn, Kornblumen, Kornraden, Wilde Stiefmütterchen und viele andere Arten sind aus unseren Getreidefeldern fast vollständig verschwunden. Ebenso sind ‘Unkräuter’ wie Beifuß, Melde oder Hohlzahn nicht mehr auf den Kartoffeläckern zu finden. Und die einstige Farbenfülle unserer Wiesen durch zig Blumen wie Margeriten, Glockenblumen, Storchschnäbeln, Bocksbart oder Nelken ist längst dem eintönigen Grün weniger Nutzgrasarten gewichen.“