© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/17 / 26. Mai 2017

Umwelt
Toxische Professuren
Jörg Fischer

In der DDR waren alle Studenten verpflichtet, Vorlesungen und Prüfungen in Marxismus-Leninismus (ML) zu absolvieren. Deswegen gab es dort bis 1990 an allen Hochschulen ML-Professuren. Wer glaubt, daß seither die ideologische Indoktrination obsolet ist, der irrt. Inzwischen gibt es von Südschleswig bis Oberbayern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte und Professuren für Zeitgeistiges. Etwa an der Fernuni Hagen, wo seit April die Herausgeberin des Studienbuchs „Feministische Rechtswissenschaft“, Ulrike Lembke, Professorin für Gender im Recht ist. Der Studiengang Elektro- und Informationstechnik läuft hingegen 2020 aus. Doch der Ersatz-ML kostet. Bereiche, die politisch nicht so gut verdrahtet sind, müssen leiden. Von ehemals 20 Instituten für Toxikologie an bundesdeutschen Universitäten wurden seit 1990 16 geschlossen.

Weniger objektive Untersuchungen zu Glyphosat, Fracking oder Aluhaushaltsfolie?

Von den verbliebenen vier steht das Würzburger Institut zur Disposition, und das Kieler schließt 2019, mit der Emeritierung Edmund Masers. Die „Gender & Diversity Studies“ der Uni Kiel müssen sich genausowenig Sorgen machen wie die Professur für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften der TU München, die vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und dem bayerischen Kultusministerium gefördert wird. Der Naturschutzbund Schleswig-Holstein protestierte immerhin: Mit dem Institut für Toxikologie und Pharmakologie verschwinde eine Einrichtung, die unabhängige Expertise biete. Objektive Untersuchungen zu Glyphosat, Fracking, Alufolie im Haushalt oder zur Belastung von Zuchtlachsen mit Antioxidationsmitteln seien aus den Industrielaboren nicht zu erwarten. Zudem sei die Ausbildung von Umwelttoxikologen nicht mehr gewährleistet, wenn Masers Institut durch eine einfache Professur für Medizinische Toxikologie ersetzt werde. Aber die Publikationsflut zur Gender- und Diversityforschung ist offenbar wichtiger.