© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/17 / 02. Juni 2017

Ländersache
Sag mir, wo die Stimmen sind
Christian Schreiber

War es wirklich nur eine Panne, wenn auch eine peinliche? Der Alternative für Deutschland wurden in der nachträglichen Auszählung der Stimmzettel in Nordrhein-Westfalen mehr als 2.200 weitere Stimmen zugesprochen. Demnach wurde in mehreren Stimmbezirken falsch gezählt. In mehr als der Hälfte aller Fälle ist die AfD betroffen. „Einige Fehler erwecken den Eindruck, nicht ausnahmslos zufällig geschehen zu sein“, sagte der  stellvertretende Landeswahlleiter Markus Tiedtke. Zu deutsch: Offenbar haben Wahlhelfer AfD-Stimmen bewußt einer anderen Liste zugeordnet. 

Allerdings teilte die Landeswahlleitung mit, daß sich die Abweichungen im Promillebereich bewegten, schließlich habe es in den 15.000 Wahlbezirken  nur rund 130 Vorfälle gegeben. Auch andere Parteien waren betroffen. „Allerdings nur in sehr geringem Maße“,   teilte die Behörde mit. Gegenüber dem vorläufigen Ergebnis erhielt die Linke 128 Stimmen zusätzlich, die SPD 170 Stimmen. Daß es zwischen vorläufigem und endgültigem Endergebnis zu Abweichungen komme, sei „eigentlich bei jeder Wahl so und daher kein ungewöhnlicher Vorgang.“ Dennoch sollen die zuständigen Wahlvorstände nun angehört und gegebenenfalls Strafanzeigen erstattet werden. 

Die Korrekturen haben indes keine Auswirkungen mehr auf die Sitzverteilung im  Düsseldorfer Landtag. Die AfD kommt dem amtlichen Endergebnis nach auf 7,4 Prozent und zieht mit 16 Vertretern in den Landtag ein. Für ein weiteres Mandat hätte die AfD weitere 9.800 Stimmen benötigt. Die Partei hat ihre Gliederungen trotzdem weiter aufgefordert, nochmals genau auf die Ergebnisse in den jeweiligen Wahlbezirken zu schauen. „Die Unregelmäßigkeiten lassen nur den Schluß zu, daß dies keine Zufälle sind“, sagte der Pressesprecher der nordrhein-westfälischen AfD, Michael Schwarzer, der JUNGEN FREIHEIT. „Es geht uns dabei gar nicht darum, mehr Stimmen zu bekommen. Wir wollen zeigen, wie hier mit dem Rechtsstaat umgesprungen wurde“, so Schwarzer.

Die hauchdünne schwarz-gelbe Mehrheit in Düsseldorf könnte dennoch wackeln. Denn der FDP ist bei der Listenaufstellung ein Fehler unterlaufen. Eine ursprünglich für Platz 48 vorgesehene Kandidatin ist aufgrund eines Übermittlungsfehlers auf Platz 24 gelandet, der eigentlich für Platz 24 vorgesehene Kandidat umgekehrt auf Platz 48. Laut Wahlgesetz könnten nun  verschiedene Personen Einspruch gegen die Landtagswahl erheben. Dazu ist in Nordrhein-Westfalen die schriftliche Zustimmung von 50 weiteren Wahlberechtigten notwendig. Experten halten eine Annullierung der Wahl allerdings für nicht wahrscheinlich. Verfassungsrechtler Janbernd Oebbecke rechnet kaum mit Neuwahlen. Entscheidend sei, ob eine „Verfälschung des Wählerwillens“ vorliege. Das sei hier kaum anzunehmen, erklärte er in der ARD.  Zumal der „vergessene“  Kandidat angekündigt hat, auf Rechtsmittel zu verzichten. 

Unterdessen sollen sich Informationen des WDR zufolge CDU, SPD, FDP und Grüne darauf geeinigt haben, die Zahl der Vizepräsidenten auf drei zu begrenzen. Damit würde dann voraussichtlich die AfD als einzige Fraktion keinen Platz im Landtagspräsidium bekommen.