© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/17 / 02. Juni 2017

Islam
Keine Religion des Friedens
Werner Münch

Seit Jahren überziehen islamistische Terroristen die Welt mit Attentaten: USA, Bali und Djerba, Irak, Syrien, Nigeria und Philippinen, Madrid, London und Manchester, mehrfach Brüssel und Paris sowie die Promenade von Nizza. In Deutschland gab es Attentate in Essen, in einer Regionalbahn bei Würzburg, in Ansbach und in Berlin auf dem Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche – eine beispielhafte, längst nicht vollkommene Aufzählung. Weitere geplante Attentate verhinderten aus- und inländische Sicherheitsbehörden.

Die Täter berufen sich auf den Koran und seine Aufforderung zum Kampf gegen die „Ungläubigen“. Bei uns und anderswo im Westen erleben wir oft stumme hiesige Verbände und Moscheevereine. So war es unter anderem bei der Erschießung von Nonnen in Somalia, beim iranischen Konvertitenpastor Behnam Irani, der über fünf Jahre unschuldig im berüchtigten Gefängnis von Karadsch im Iran saß. Oder bei Asia Bibi, die im Juni 2009 in Pakistan wegen „Verunglimpfung“ von Mohammed zum Tode verurteilt wurde, weil sie als Christin aus derselben Wasserschale wie muslimische Frauen getrunken habe, so behaupteten eben jene. Das höchste Gericht in Islamabad vertagte im Oktober vorigen Jahres zum fünften Mal eine Gerichtsverhandlung wegen einer eventuellen Aufhebung der Hinrichtung ohne Nennung eines neuen Termins. Islamische Geistliche und Gelehrte bedrohen die Richter und Verteidiger von Asia Bibi, die fünf Kinder hat. Christen sind in Pakistan Menschen zweiter Klasse.

Was in der öffentlichen Diskussion verschwiegen wird, ist der Haß des radikalen Islam auf den „Ungläubigen“. Es stimmt nicht, wenn gesagt wird, daß der Haß auf alles Unislamische, also auf Anderslebende und Andersgläubige, nichts mit dem Islam zu tun habe. 

Auch im bisher religiös relativ toleranten Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung auf der Welt, brodelt es seit einiger Zeit, weil radikale Muslime verstärkt aggressive Positionen gegen Christen einnehmen. Bei der Wahl des Gouverneurs in der Hauptstadt Jakarta im April siegte der muslimische Herausforderer Anies Baswedan gegen den christlichen Amtsinhaber Basuki Tjahaja Purnama (JF 19/17). Der Wahlsieger und seine Helfer wurden im Wahlkampf von äußerst reaktionären islamistischen Gruppierungen unterstützt, die Massendemonstrationen organisierten und unter anderem behaupteten, daß eine Wahlentscheidung von Muslimen für Nichtmuslime ein Verstoß gegen den Koran sei. Purnama hatte diese Behauptung als „Lüge“ bezeichnet, wurde deshalb der „Gotteslästerung“ und „antiislamischer Blasphemie“ geziehen, angeklagt, nach der Wahl von einem indonesischen Gericht zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt und nach dieser Entscheidung aus dem Gericht sofort ins Gefängnis gebracht. Obwohl diese Wahl zweifelsfrei eine Unvereinbarkeit von demokratischen Grundsätzen und dem Islam belegte und der Wahlsieger gleich nach der Wahl erklärte, daß er die Scharia einführen werde, charakterisierten einige deutsche Zeitungen Baswedan als „moderaten Muslim“.

Die dargestellten Fakten, die um weitere ergänzt werden könnten, verhindern nicht, daß es weiterhin unzählige unkritische Bewunderer und Förderer des Islam gibt. Es ist zwar gut und richtig, alle Möglichkeiten für ein friedliches Auskommen zwischen Christen und Muslimen zu prüfen. Aber die vorrangige Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog ist eine rationale Aufarbeitung der konkreten Realität und kein Ausblenden von kritischen Fragen und ehrlichen Antworten, weil Verdrängung und Kuschelpolitik zur Lösung von Problemen völlig ungeeignet sind. Der zentrale, in der Öffentlichkeit häufig wiederholte Vorwurf an diejenigen, die Fakten vortragen und sie einer kritischen Bewertung unterziehen, ist „Islamophobie“, der besonders von allzu uninformierten, unkritischen und manipulativ agierenden Politikern, Journalisten und Repräsentanten der Kirchen sowie muslimischen Verbandsvertretern erhoben wird.

Was in der öffentlichen Diskussion vor allem bewußt verzerrt dargestellt oder ganz verschwiegen wird, ist der Haß des radikalen Islam auf den „Ungläubigen“, den Nichtmuslim und den Homosexuellen. Es stimmt einfach nicht, wenn gesagt wird, daß der Haß auf alles Unislamische, also auf Anderslebende und Andersgläubige, nichts mit dem Islam zu tun habe. 

Selbstverständlich haben gerade Christen jeden anderen Menschen zu achten und seine Religion und seinen Glauben zu respektieren. Aber die Bereitschaft, andere und anderes zu verstehen, heißt nicht, Unterschiede zu leugnen oder zu vertuschen. Und Toleranz bedeutet nicht, seine eigenen Glaubensüberzeugungen zu verleugnen, sondern lediglich den Willen, einer anderen Überzeugung mit Respekt zu begegnen. Und sie bedeutet schon gar nicht, Intoleranz zu tolerieren. Beide Religionen, Christentum und Islam, sind zwar monotheistische Religionen, was aber nicht ausschließt, daß sie sogar in wesentlichen Fragen grundverschiedene Positionen vertreten, wobei wir die theologischen Unterschiede hier außer acht lassen.

Erstens: Das Wort „Islam“ bedeutet Unterwerfung, Ergebung, nämlich unter Allahs Willen. Und ein Moslem (Muslim) ist ein Mensch, der sich Allah unterworfen hat.

Zweitens: Der Islam versteht sich nicht als eine Religion neben anderen als gleichwertig anerkannten Religionen, sondern als einzig wahre Religion.

Drittens: Die Grundlage der islamischen Religion ist der Koran als Gesamtheit aller Offenbarungen. Er verlangt von jedem die Unterwerfung unter den Willen Allahs. Er ist sozusagen das „Grundgesetz“ für alle Muslime.

Viertens: Der Koran ist nur arabisch authentisch und deshalb im Prinzip nicht übersetzbar. Beim Zitieren von Suren aus dem Koran wird uns ja immer wieder vorgehalten, wir hätten die „falsche Übersetzung“. Aber jede Forderung nach einer verbindlichen „Einheitsübersetzung“ geht an der Realität vorbei, weil es sie gar nicht geben kann, zumal keine Institution dafür legitimiert ist.

Fünftens: Im Islam gibt es weder die Freiheit für Muslime, ihren Glauben an Allah aufzugeben, noch die Freiheit eines Nichtmuslim, die Religion des Islam zu kritisieren oder gar zu beleidigen, und

Sechstens: Der Islam trennt nicht Staat, Politik, Gesellschaft und Religion voneinander, sondern sie gehören untrennbar zusammen. Er anerkennt keine religiöse Neutralität im öffentlichen Leben, und Religion ist nie Privatsache. Das Ziel des Islam ist und bleibt immer die Schaffung eines Staatswesens nach islamischen Prinzipien. Deshalb hat er auch in der Kairoer Erklärung von 1990 seine eigenen Auffassungen über „Menschenrechte“ nach den Prinzipien der Scharia formuliert, die die international anerkannte Erklärung von 1948 nicht akzeptiert.

Nun wäre es unredlich, wenn man den Islam als „homogenes Gebilde“ ansehen und ihn mit Islamisierung gleichsetzen würde, weil es den Islam nicht gibt. Es gibt ihn natürlich als Religion weit verstreut über unseren Erdkreis, aber nicht als einen einheitlichen Welt-Islam: Ägypten, Syrien, Libyen, Irak, Afghanistan, Algerien, Tunesien, Nigeria, Somalia, Saudi-Arabien und Europa; Schiiten, Sunniten, Sufisten und Salafisten, Frömmler und Säkulare legen den Koran und die Hadithe, die Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen Mohammeds, unterschiedlich aus, weil sie voneinander abweichende historische Traditionen und religiöse Kulturen haben.

Aber genauso wie eine solche Gleichsetzung an der Realität vorbeigehen würde, wäre es ein ebenso fataler Irrtum, wenn man aufgrund solcher Unterschiede zu der Schlußfolgerung käme, Islam und Islamismus hätten nichts miteinander zu tun. Es wäre schon deshalb falsch, weil sich die Islamisten in ihren Terroraktionen ja ausdrücklich auf bestimmte Suren des Koran beziehen, die zum „Heiligen Krieg“ aufrufen und sie damit nichts anderes tun, als diesem Ruf zu folgen. Und den Muslimen, die die Gewalt ablehnen, weil sie solche Suren lediglich historisch verstehen, ihnen für die Gegenwart aber keine Gültigkeit mehr zubilligen, werfen sie Häresie vor.

Unbestritten sind für den Islam eine patriarchalische Struktur, Gehorsam gegenüber den religiösen Autoritäten und den Eltern, besonders dem Vater, nicht selten. Häufig sind auch Anwendung häuslicher Gewalt und Ungleichheit der Geschlechter mit Nachteilen für alle weiblichen Personen. Eklatante Beweise dafür sind die Genitalverstümmelung, Zwangsheirat, Ehrenmorde und ungleiche Akzeptanz vor Gericht.

Auch wenn es immer wieder einzelne Anläufe aus der islamischen Welt zur Liberalisierung gibt, ist folgende Feststellung der deutsch-türkisch-kurdischen Rechtsanwältin und Teilnehmerin der Deutschen Islamkonferenz, Seyran Ates, wohl richtig, die in ihrem Buch „Der Multikulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können“ feststellt: „Es gibt fundamentalistische, demokratie- und frauenfeindliche islamische Kräfte, die sich gegen jede Historisierung und Modernisierung ihrer Religion wehren und im 21. Jahrhundert wieder mittelalterliche Zustände zu etablieren trachten.“

Bevor die wesentliche Frage über die Einstellung zur Gewalt im Islam nicht zweifelsfrei von den Muslimen selbst beantwortet ist, bleibt eine kritiklose Anbiederung an den Islam, von welchen Interessen auch immer geleitet, grob fahr­lässig. 

Und Hamed Abdel Samad, Sohn eines ägyptischen Imams, der heute als Islamkritiker mit einer Fatwa belegt ist, hat in einem Interview über sein Buch „Der Koran. Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses“ seine Koran-Exegese wie folgt zusammengefaßt: „Man findet im Koran fast alles: Mitgefühl und Haß, Frieden und Gewalt, Toleranz und Intoleranz, Vergebung und Rache, Zusammenleben und Vertreibung von Andersgläubigen.“ Es gibt also keine eindeutigen, sondern widersprüchliche Botschaften, die je nach Lebensabschnitt von Mohammed in Mekka oder später in Medina unterschiedlich ausfallen. Ohne Zweifel gibt es den Haß auf „Andersgläubige“, und zahlreiche Suren im Koran belegen, daß der Islam nicht als Religion des Friedens und der Toleranz bezeichnet werden kann. Wäre er eine solche Religion, müßte man sich fragen, warum denn dann so viele Muslime auf der Flucht vor dem Islam in den von Muslimen so verhaßten Westen sind? Und die Muslima und niederländisch-amerikanische Politikerin Ayaan Hirsi Ali stellt in ihrem Buch „Ich klage an. Plädoyer für die Befreiung der muslimischen Frauen“ die Frage: „Wenn wir Muslime so tolerant und friedliebend sind, warum gibt es dann in islamischen Ländern so viel ethnische, religiöse, politische und kulturelle Zerrissenheit und Gewalt? (…) Warum sind wir Muslime so voll von Gefühlen der Wut und des Unbehagens und tragen so viel Feindseligkeit und Haß untereinander und gegenüber anderen in uns? Warum gelingt es uns nicht, uns selbst zu hinterfragen?“

Es ist völlig unbestritten, daß es viele friedliebende und tolerante Muslime gibt. Aber das ist etwas anderes als die Behauptung, der Islam insgesamt sei eine friedliebende und tolerante Religion, denn auch die Todesdrohungen gegen Kritiker des Islam, des Korans oder Mohammeds sind uns nicht entgangen. Häufige Vorwürfe der Islamophobie gegen uns bei gleichzeitiger Verhängung der Fatwa gegen Menschen, die Kritik am Islam äußern, bleiben ein Widerspruch. Über den Islam und die Gewaltverse im Koran sagt Mouhanad Khorchide, Professor für Religionspädagogik in Münster, in einem Gespräch mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, daß „die Muslime klären müssen, wie sie damit umgehen“ (Chrismon Spezial, Oktober 2016). Bevor die wesentliche Frage der Einstellung zur Gewalt im Islam nicht zweifelsfrei von den Muslimen selbst beantwortet ist, bleibt eine kritiklose Anbiederung an den Islam, von welchen Interessen auch immer geleitet, grob fahrlässig.






Prof. Dr. Werner Münch, Jahrgang 1940, war CDU-Europaabgeordneter (1984–1990) und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt (1991–1993). Er verließ 2009 die CDU aus Protest gegen den Kurs von Angela Merkel. Vor Beginn seiner politischen Karriere war Münch Rektor der Katholischen Fachhochschule Norddeutschland in Osnabrück und Vechta, später Präsident der siebzehn kirchlichen Hochschulen in Deutschland. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik arbeitete er für die Deutsche Bahn in Brüssel und beriet die Regierung von Bulgarien und eine Stiftung in Aserbaidschan. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über die EU und das Christentum („Die verlorene Seele“, JF 8/17).

Foto: Sehschlitz einer Burka: Verdrängung und Kuschelpolitik sind zur Lösung von Problemen völlig ungeeignet