© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Grüße aus Madrid
Es kribbelt wieder
Michael Ludwig

Mein Freund Pedro hat ein aufregendes Wochenende hinter sich. Er nahm wieder einmal an einem Event teil mit dem Namen „Escápate … si puedes, tienes una hora“ (Entkomme …  wenn du kannst, du hast eine Stunde). Wir sitzen in unserer Stammkneipe, und Pedro erzählt mit leuchtenden Augen, was diesmal abging: „Unsere Gruppe bestand aus sechs Männern und Frauen. Wir wurden in einen Keller geführt. Dort begrüßte uns der Spielleiter mit folgenden Worten: Willkommen Gefangene! Ihr seid jetzt im Mittelalter, und wir klagen euch der Hexerei an. Deshalb haben wir euch in den Kerker geworfen, aber wenn es euch gelingt zu fliehen, werden wir euch nicht weiter verfolgen, sondern das Leben schenken.“

Pedro und seine Freundinnen und Freunde mußten Spuren suchen, die zum Schlüsselversteck führten; es galt Rätsel zu lösen, die sie weiterbrachten und zu neuen Rätseln führten. „Es war ganz schön kniffelig, aber wir haben es geschafft – nach 45 Minuten schlossen wir die schwere Türe auf“, schildert Pedro den Moment der Befreiung. Ich sehe ihm an, daß er stolz ist.

Auf Handy oder PC sind der Teamgeist und der Zusammenhalt nicht zu finden.

Escápate ist der neueste Schrei auf der Iberischen Halbinsel. Inzwischen gibt es in ganz Spanien rund 300 „room escapes“, wie sie auf englisch genannt werden. Federführend bei dem Freizeittrend ist Barcelona mit 45 Räumen, in Madrid gibt es 30. Die Stunde kostet zwischen 50 und 80 Euro, und wenn man sie durch die Anzahl der Gruppenmitglieder teilt, ist das Vergnügen kein sonderlich teures. „Wenn du in eine Tapas-Bar gehst und eine Stunde bleibst, ist deine Rechnung vermutlich höher, außerdem fehlt das Kribbeln auf der Haut, wenn du unter Aufbietung aller Kräfte versuchst, einer todbringenden Anklage wegen Hexerei zu entkommen“, betont Pedro.

Das Angebot an Räumlichkeiten, aus denen man entkommen muß, hat sich inzwischen stark aufgefächert. Es gibt nicht nur mittelalterliche Verliese, sondern auch Gefängnisse (beispielsweise des Islamischen Staats) oder nachempfundene Arenen, in die hungrige Löwen hineinstürmen, rein virtuell natürlich; oder die Mafia will die Teilnehmer auf einem stillgelegten Fabrikgelände umbringen. „Ich finde es toll, daß immer mehr Leute nicht nur vor ihrem PC sitzen, sondern gemeinsam mit ihren Freunden etwas unternehmen. Das fördert den Teamgeist und den Zusammenhalt“, meint Pedro.