© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/17 / 09. Juni 2017

Kritische Stimmen werden abgeschaltet
Meinungsfreiheit: Twitter hat das Profil von Kolja Bonke ohne Begründung gelöscht
Ronald Berthold / Felix Krautkrämer

Kolja Bonke betreibt die Internetseite Datingberatung.de, ein auf Männer zugeschnittenes Portal mit dem Untertitel „Wegweiser zum Erfolg bei Frauen“ und den üblichen Dauerbrennern Lifestyle, Sex und Fitneß. Genau dazu twitterte er auch jahrelang – bis ihn die Flüchtlingskrise politisierte. Er äußerte sich zur Kölner Silvesternacht, zum Terror und zur Kriminalität von Migranten. Immer mehr Menschen folgten fortan seinen Tweets. Doch damit ist nun Schluß. 

Die Geschichte des Autors sagt viel über den Zustand der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken aus. Und sie ist eng verbunden mit dem Namen Heiko Maas (SPD) und seinem auf den Weg gebrachten Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Seit dem massiven Druck auf Twitter, Facebook und Co., Posts zu löschen, die angeblich strafrechtlich relevant seien, gilt der Bundesjustizminister den Betreibern als Wächter über das, was im Internet gesagt werden darf und was nicht.

Unter #freekolja sammelten sich zahlreiche Unterstützer 

Besonders heikel erscheint den sozialen Medien daher schon bloße Kritik ihrer Nutzer am Minister. Diese Erfahrung mußte Kolja Bonke erstmals machen, als er im Februar vergangenen Jahres – und da beginnt die Geschichte – zwei Tweets absetzte. Im ersten fragte er, ob Maas noch zu seiner Aussage stehe, es gebe keine nachweisbare Verbindung zwischen Terroristen und Flüchtlingen. Eine nicht ganz unberechtigte Frage, nachdem mehrere sogenannte Schutzsuchende Anschläge verübt hatten, das Herstellen eines solchen Zusammenhangs auch von Maas aber zum Tabu erklärt wurde.

Nur kurz danach twitterte Bonke: „Bei Maas stellt sich mir ja die Frage, ob man seine Untätigkeit noch auf Inkompetenz zurückführen kann oder ob er schon kriminell handelt“. Diese rhetorischen Fragen fielen offenbar nicht mehr unter die Meinungsfreiheit. Twitter sperrte Bonkes Kontos postwendend.

Doch der 38jährige eröffnete einen neuen Account, auf dem er sich jüngst – wie er der JUNGEN FREIHEIT berichtete – „über das gendergerechte Liederbuch des evangelischen Kirchentags“ amüsierte. Bonke: „Das war mein letzter Tweet vor der Sperre. Davor habe ich es als ‘total gemein’ bezeichnet, daß das Anti-Rechts-Buch von Heiko Maas noch keine positiven Rezensionen hat. Außerdem habe ich die Amadeu-Antonio-Stiftung und Anja Reschke für ihren Kampf gegen vermeintliche ‘Hatespeech’ veräppelt.“ Folge: Twitter sperrte vergangene Woche erneut den Account. Ob es an der Ironie über Heiko Maas’ Mißerfolge beim Verkauf seiner Schrift „Aufstehen statt wegducken: Eine Strategie gegen Rechts“ lag, ist nicht bekannt.

Denn Twitter bleibt bei der Begründung vage. Auf Anfrage schrieb das Unternehmen: „Aus Privatsphäre- und Sicherheitsgründen kommentieren wir keine privaten Accounts – langjährige Unternehmenspolitik.“ Gegenüber Bonke wurde das soziale Netzwerk etwas konkreter: „Twitter behauptet fälschlicherweise“, so der Ausgegrenzte gegenüber der JF, „ich hätte mehrere Accounts erstellt, ‘für böswillige oder mißbräuchliche Zwecke’“. Daher bleibe sein Account „dauerhaft gesperrt“. Außerdem kündigte es dem Nutzer laut dessen Angaben an: „Wenn neue Accounts erstellt werden, um diese Sperrung zu umgehen, kann dies zur Sperrung aller neuen Accounts führen.“ Kolja protestierte bei Twitter, weil die Vorwürfe nicht zuträfen. Ohne Erfolg.

Das führte bei anderen Nutzern zu einer Welle der Entrüstung über die „Zensur“ und zu großer Solidarität mit dem Geschaßten. Dem Hashtag #freekolja unter dem Balken „Zensiert“ folgten in kürzester Zeit fast 34.000 Menschen. In nur zwei Stunden schnellte „Free Kolja“ auf Platz eins der meistgenutzten Stichworte. „Kritische Liberale“ twitterte beispielsweise: „Für die Meinungsfreit! Gegen Zensur, Stasi und Justizminister Maas. Solidarität mit Kolja“.