© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Hinein in die Fake-Falle
Debatte über den „Berliner Kreis“: Wie ARD-Journalisten aus einer Tischvorlage der CDU-Konservativen eine klimapolitische Kriegserklärung machen
Thorsten Brückner

Die Schlagzeile ließ aufhorchen: „CDU-Rechte attackieren Merkels Klima-Kurs“ hatte die „Tagesschau“ nach dem jüngsten Treffen des konservativen Berliner Kreises in der Union vermeldet. Von einer „gezielten Kampfansage“ an die Kanzlerin war da die Rede. Davon, daß die Abgeordneten des Berliner Kreises die These von der Erderwärmung ablehnen würden. Und daß nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, das Pariser Klimaabkommen aufzukündigen, nun auch der konservative Unionsflügel einen „radikalen Kurswechsel in der Klimapolitik“ fordere. 

Die Nachricht der ARD erstaunt um so mehr, als die Klimapolitik auf der Veranstaltung des Berliner Kreises überhaupt nicht thematisiert wurde. Auf der Tagesordnung stand vielmehr die „Innere Sicherheit“, zu der der Bundestagsabgeordnete und CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach als Referent geladen war. 

Mehr als hundert Teilnehmer waren gekommen. Die Unionskonservativen tagten im Reichstag, noch dazu im Saal des Fraktionsvorstandes. Ein Umstand, der sicher nicht jedem in der Parteiführung gefallen haben dürfte. An Pressevertretern hatte sich unter anderem die ARD eingefunden. Ob alle damit einverstanden seien, daß der Sender Filmaufnahmen während der Veranstaltung durchführe? Alle waren einverstanden. Im Glauben, es gehe um einen Bericht zu Wolfgang Bosbachs Ausführungen. Und das wäre ja durchaus ein positives Signal, waren sich die Teilnehmer einig. 

Wenige Stunden später dürfte sich unter ihnen deutliche Ernüchterung breitgemacht haben. Nicht nur, weil der Sender plötzlich über ein Thema berichtete, daß der Berliner Kreis gar nicht diskutiert hatte. Sondern auch, weil die „Tagesschau“-Journalisten in ihrem Bericht den konservativen Parteiflügel nun auf einmal in die Nähe sogenannter „Klimaleugner“ rückte. 

„Das war eine bewußte Fake-News der ARD“

Dabei war das im Bericht als vermeintlicher Beleg präsentierte und von den CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Lengsfeld und Sylvia Pantel erarbeitete Papier bisher weder beschlossen noch diskutiert worden. Es hatte sich lediglich mit in den Infomappen befunden, die für die Teilnehmer auf den Tischen ausgelegt worden waren. „Daraus dann eine Attacke auf Merkel abzuleiten ist höchst unseriös und zeigt, daß es eine bewußte Fake News der ARD war“, meint ein Teilnehmer gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die Botschaft, die der Sender damit verbreite, sei eindeutig: Diese „unzurechnungsfähigen Konservativen“ sind von der Wirklichkeit weit entfernt. 

Entsprechende Kritik von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und den Grünen folgte prompt. „Die Bundesregierung steht geschlossen hinter dem Pariser Klimaabkommen. Das hat das Kabinett einstimmig beschlossen“, kommentierte die Ministerin. Und: „Wenn Teile der CDU jetzt von diesem Weg abweichen und dem Irrweg des US-Präsidenten folgen, so bin ich darüber sehr verwundert.“

Grünen-Chef Cem Özdemir sprach gar von den „Mini-Trumps in der CDU“. Und die Zeit will erfahren haben, daß diese „CDU-Rechten“ das Pariser Klimaabkommen verlassen wollen. 

Im Papier ist davon jedoch überhaupt nicht die Rede. Vielmehr fordern dessen Autoren eine Klimaforschung „ohne Ideologie“ und mehr Sachlichkeit in der Klimadebatte (JF 24/17). Sie werben für „realistische Klimaziele“ und fordern, den Weltklimarat zu reformieren. Kritik an der Klimapolitik der Kanzlerin findet sich darin aber ebenso wenig wie eine Unterstützung des Trump’schen Ausstiegs aus dem Pariser Klimaabkommen. 

Beim Berliner Kreis wittert man eine Intrige gegen Sylvia Pantel. Die Düsseldorferin wurde aufgrund der Meldung von Parteifreunden kritisiert. Für ihre Bundestagskandidatur hatte sie nur einen hinteren Listenplatz erhalten, ist somit darauf angewiesen, das Direktmandat zu gewinnen. Öffentliche Kritik könnte da entscheidende Prozentpunkte kosten.

Doch auch der Berliner Kreis habe unglücklich agiert, meinen CDU-Insider. Ein noch nicht zur Diskussion gestelltes Papier bereits der Presse zugänglich zu machen, sei aus taktischer Sicht wenig durchdacht. Und auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung wird von manchem konservativen Christdemokraten als „unglücklich“ beschrieben.