© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Doha beteuert seine Unschuld
Katar-Krise: Saudi-Arabiens Offensive gegen das Emirat könnte als schmachvolles Eigentor enden
Marc Zoellner

Als Scheich Mohammed bin Abdulrahman AlThani vergangenen Samstag während seines Rußlandbesuchs vor die versammelte Presse trat, wirkte der 36jährige entschlossen wie selten zuvor. Keineswegs, verkündete der katarische Außenminister und enge Verwandte des Emirs der Golfmonarchie, würden die von Katars Nachbarstaaten verhängten Sanktionen dazu führen, daß die Regierung Katars ihre diplomatischen Beziehungen zur Hamas abbreche. „Die Vereinigten Staaten mögen die Hamas als Terrororganisation betrachten“, erklärte Al-Thani wütend. „Doch für die arabischen Nationen ist sie eine legitime Widerstandsbewegung.“ Überdies, so Al-Thani, finanziere Katar keine extremistischen Organisationen. „Wen wir unterstützen, ist nicht die Hamas, sondern das palästinensische Volk.“

Radikalislamische Hamas profitiert vom Streit

Für die radikalislamische Hamas ein Tag zum Jubeln: Schließlich ist Katar nicht irgendwer auf dem diplomatischen Parkett des Nahen Ostens, sondern immerhin der größte ausländische Geldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde. Hunderte von Millionen US-Dollar fließen alljährlich insbesondere in den Gazastreifen. Teils von privater katarischer Seite, teils von der Regierung in Doha. Gerade für viele der jungen Palästinenser in der gleichnamigen Stadt Gaza gelten die von Katar finanzierten Infrastrukturprojekte als einzige kontinuierliche Erwerbsquelle – und somit auch als Faustpfand für den Machterhalt der Hamas im Gazastreifen.

Gerade die wirtschaftlichen Blockaden insbesondere Saudi-Arabiens Katar gegenüber dürften die Hamas um so mehr erfreuen. Immerhin rückt die Blockade das Emirat künftig noch enger an den tatsächlichen Hauptverbündeten der Hamas heran: den Iran, der von jeher keinen Hehl daraus machte, die palästinensischen Radikalislamisten nicht nur mit baren Dollars, sondern auch mit Waffen zu beliefern – und der jetzt versprach, die Ausfälle an Nahrungsmittelimporten aus Riad an Doha großzügig mit Hilfslieferungen zu kompensieren.

Die angestrebte Isolation Katars, vom Ziel beseelt, den kleinen Golfstaat vom Iran zu entfremden, könnte sich für Saudi-Arabien, das unter anderem im Jemen einen blutigen Stellvertreterkrieg gegen die schiitische Theokratie führt, schlußendlich zum schmachvollen Eigentor entwickeln. Zumal Katar beim Auslöser des neuesten Konflikts im Nahen Osten fortwährend seine Unschuld beteuert – und dabei gerade von den engsten Verbündeten Saudi-Arabiens im Westen Zuspruch erhält: Denn in die Ermittlungen um die mutmaßlichen Hackerangriffe auf die staatliche katarische Nachrichtenagentur Qatar News Agency (QNA) haben sich mittlerweile auch das US-amerikanische FBI sowie die britische Strafverfolgungsbehörde National Crime Agency (NCA) eingeschaltet. Beide fördern seitdem beständig erstaunliche Erkenntnisse zutage.

Was bislang feststeht: Die Netzseite der QNA wurde Ende Mai tatsächlich gehackt. Das bestätigten auch die in Doha seit vergangener Woche tätigen Ermittler des FBI. Bei den angeblichen Aussagen des katarischen Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, daß Katar die Hamas, die Hisbollah, den Iran und Israel unterstütze, handele es sich schlicht um „Fake News“, so die US-Bundesagenten. Mittels Spearfishing, einer Methode zur Auslese von Daten und Paßwörtern gezielt ausgesuchter Individuen, haben aus Rußland stammende Hacker die Datenbank der QNA kompromittieren und ebendiese Falschmeldungen veröffentlichen können, ergaben erste Untersuchungen.

Doch eine direkte Beteiligung des Kreml an der Netzattacke auf die QNA, wie sie jüngst noch von US-Regierungsvertretern gemutmaßt wurde, schließen die Behörden mittlerweile aus. „Das waren sehr wahrscheinlich ‘Hacker zum Mieten’, die freischaffend für die verschiedensten Klienten tätig sind“, zitierte die New York Times Ende vergangener Woche einen Sicherheitsexperten. Mitglieder einer privaten, auf Cyberkriege spezialisierten Söldnergruppe, die sich aus russischen IT-Spezialisten rekrutiert und von den Ermittlern nach einem legendären arabischen Riesenfisch „Bahamut“ getauft wurde.

Ihr tatsächlicher Auftraggeber wiederum wird auf der Arabischen Halbinsel vermutet – und speziell in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Mit diesen focht Katar einen drei Jahre währenden Stellvertreterkrieg in Libyen aus. Beide Staaten unterstützten hier auch radikalislamische Milizen. 2015 veröffentlichte Katar medienwirksam Regierungs-E-Mails aus Dubai, die bestätigten, daß die VAE damals ihre Verbündeten in Nordafrika mit Waffen aus Nordkorea belieferten – und damit bewußt UN-Sanktionen gegen die ostasiatische Diktatur verletzten. Beim Ausspähen geholfen hatte Doha dabei die russische IT-Söldnergruppe GlobalLeaks.

Golfkooperationsrat soll Lösung finden

Überdies scheint der katarischen Unschuldsbekundung zuträglich, daß die auf der QNA-Seite publizierte Falschmeldung bereits zwanzig Minuten nach Erscheinen von den staatlichen Sendern Saudi-Arabiens und der VAE aufgegriffen und in einer langen Reihe gut instruierter Interviewpartner abgehandelt wurde. 

Die Retourkutsche für das Fiasko von 2015 – wenn sie denn eine war – ist, zumindest in Katars Glauben, von langer Hand vorbereitet worden, um die Außenpolitik des Landes mit den Meinungsmachern des Golfkooperationsrats (GCC) gleichzuschalten.

Auf internationale Hilfe zur Beilegung des Konflikts haben es letztere ohnehin nicht abgesehen. „Wir haben keinerzeit um Vermittlung gebeten“, verdeutlichte der saudische Außenminister Adel al-Dschbeir den Standpunkt seiner Regierung während seines Deutschlandbesuchs. „Diese Angelegenheit können wir auch unter den Staaten des GCC abhandeln.“