© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

CD-Kritik: Philippe Jaroussky
Orfeo Narcissus
Jens Knorr

Mit der Renaissance, der Wiederentdeckung antiker Quellen und dem Neuplatonismus war der Orpheus-Mythos zu einem beliebten Sujet abendländischer Kunst geworden. Mit der Verbürgerlichung der Gesellschaft wurde Orpheus zu deren privilegierter Figur, die Oper inbegriffen, und ist es bis heute geblieben. Mit Claudio Monteverdis „L’Orfeo“ (Mantua, 1607) beginnt die Gattungsgeschichte der Oper – so ihre Urknalltheorie.

Weil Philippe Jaroussky Monteverdis berühmte Arie „Possente spirto“ singen wollte, dabei auf andere Orpheus-Arien des Seicento nicht verzichten, hat er um seine Lieblingsnummern aus Monteverdis Favola in Musica weitere aus den Adaptionen des Stoffes von Luigi Rossi (Paris, 1647) und Antonio Sartorio (Venedig, 1672) zu einem Pasticcio gruppiert.

Im Gleichklang mit der Sopranistin Emöke Baráth, dem Coro della Radiotelevisione swizzeria und I Barocchisti unter Leitung von Diego Fasolis, beschränkt Jaroussky seine Kantate für zwei Stimmen und Chor auf ein Liebespaar, das aufgrund toxischer Reaktion der Gattin auf Schlangengift getrennt, durch die Macht der Musik wieder vereint, durch die Macht der Affekte erneut getrennt und mit der Aussicht auf Wiedervereinigung im Himmel abgefunden wird.

Hier wird keiner, sei er Künstler oder Hörer, in Stücke gerissen. Hat Jarousskys Orfeo sich eigentlich umgesehen?

La storia di Orfeo Erato 2017 www.philippejaroussky.fr