© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Frosch gegen Vogel
Gab.ai: Ein junges Medium hat sich der Meinungsfreiheit verschrieben und sorgt damit für Konkurrenz
Lukas Steinwandter

Nichts anderes als eine digitale Massenwanderung findet derzeit in den digitalen Welten der sozialen Netzwerke statt. Tausende deutschsprachige Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter wechseln zu einem vor kurzem gestarteten Konkurrenzportal: Gab.ai. Viele der neuen Gabber fühlen sich auf Twitter nicht mehr meinungsfrei. Die Bedrohung, gesperrt zu werden, kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen Wochen nahm die Zahl der „in Deutschland zurückgehaltenen Accounts“, wie das soziale Netzwerk faktische Sperrungen umschreibt, stetig zu. Häufig handelt es sich um konservative oder rechte Nutzer. 

„Gab verteidigt die Meinungsfreiheit weltweit“

Vor rund zwei Wochen traf es dann den wohl prominentesten konservativen Twitterer, Kolja Bonke, mit über 12.000 Followern. Der Frankfurter Autor und Blogger machte seit 2015 Fälle von Ausländerkriminalität bekannt oder stichelte gegen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und die Amadeu-Antonio-Stiftung. Das US-amerikanische Unternehmen wirft Bonke vor, mehrere Accounts erstellt zu haben, „für böswillige oder mißbräuchliche Zwecke“. 

Das stimme allerdings nicht, beteuerte Bonke (JF 24/17). Er vermutet hinter der lebenslangen Sperre eine konzertierte Aktion „bestimmter Leute“, die seinen Account gemeldet haben. Wer genau dahintersteckt, weiß Bonke nicht: „Ich habe keine Ahnung, aber ich habe mir auf Twitter wohl nicht nur Freunde gemacht. Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Leuten, die sich freuen, daß mein Account nun gesperrt ist.“ Auf Gab folgen ihm bereits 3.500 Nutzer.

Was des einen Leid, ist des anderen Freud. Mittlerweile kommen nach den USA die meisten Gabber aus Deutschland, teilte Geschäftsführer Andrew Torba wenige Tage nach Bonkes Registrierung mit. „Wir erwarten, daß dies auch in anderen Ländern wie Brasilien, Indien und Frankreich passiert, weil die Massenzensur der großen sozialen Netzwerke weitergeht. Alles, was es braucht, ist die Sperrung eines großen Namens, um eine Flut an neuen Nutzern zu bringen.“ 

Warum fühlen sich die deutschen Twitter-Nutzer in dem Netzwerk mit dem Frosch im Logo wohl? Dem Gabber stehen 300 Zeichen für seine Einträge (Gabs) zur Verfügung, bei Twitter sind es 140. Funktionsmäßig ähnelt Gab dem Netzwerk mit dem blauen Vogel, optisch der Diskussionsplattform Reddit. Doch das lockendste Anziehungsmerkmal ist die Meinungsfreiheit. „Unsere Botschaft an die Deutschen ist ganz klar: Gab verteidigt Meinungsfreiheit, künstlerische Freiheit und politischen Widerspruch weltweit“, konstatiert Utsav Sanduja, der Kommunikationschef von Gab, gegenüber der JF. Verboten seien lediglich illegale Pornographie, Werbung für Terrorismus und Gewalt sowie die Veröffentlichung vertraulicher Informationen.  

Schon während der Beta-Phase, als Gab noch nicht frei zugänglich war, stand das Medium in der Kritik, eine Filterblase für Rechte aller Spielarten zu sein. Tatsächlich war Torba auf die Idee gekommen, Gab zu gründen, „nachdem er über die Zensur konservativer Inhalte im Facebook Newsfeed gelesen hat“, sagt Sanduja. „Er bemerkte eine eindeutig links-progressive Agenda, die im Silicon Valley, wo er arbeitete, vorherrschte. Von da an war ihm klar: Dieses Monopol in der Technologieindustrie mußte zum Einsturz gebracht werden.“ 

Eine starke Demokratie müsse die Rechte von Minderheiten achten, auch die mit politisch unkorrekter Meinung. „Meinungen zu regulieren ist im Kern nichts anderes als der Versuch, Gedanken zu kontrollieren. Wenn Ideen nicht mehr ausgedrückt werden dürfen, dürfen sie irgendwann auch nicht mehr gedacht werden.“