© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/17 / 16. Juni 2017

Humboldts verblassendes Ideal der gebildeten Nation
Durch multilinguale Gesellschaft ersetzt
(wm)

In einer Zeit, in der selbst Goethe und Schiller „langsam am Horizont der Geschichte verschwinden“, müsse man die Beharrungskraft, mit der Wilhelm von Humboldt (1767–1835) im kulturellen Gedächtnis verankert geblieben sei, als „erstaunliches Phänomen“ bezeichnen. Allerdings, so resümiert der Literaturhistoriker Peter J. Brenner in seiner wirkungsgeschichtlichen Studie zum 250. Geburtstag des preußischen Bildungsreformers (Universitas, 850-2017), beginne auch sein „Bildungsideal“ zu verblassen. Ebenso wie dessen „Staatsideal“, das sich gründe in der Nation als der durch Herkunft, Sprache, Geschichte und Kultur bestimmten Gemeinschaft. Diese neuerdings auch durch das Bundesverfassungsgericht als „völkisch“ und genuin „nationalsozialistisch“ denunzierte Menschenbild der Weimarer Klassik (JF 24/17) habe sich gegen die politische Anthropologie des angelsächsischen Liberalismus gerichtet, die das „radikal isolierte Individuum“ aus allen Bindungen befreie, um „Staat“ zu definieren als „Ansammlung versprengter Einzelmenschen“. Da aber die „gebildete Schicht in Deutschland verschwindet“, gehe Humboldts Wissen um die kulturellen Bindekräfte humaner Gemeinschaft verloren. An deren Stelle trete die „multilinguale Gesellschaft“ mit Türkisch und Arabisch als Schulhof- und Behördensprache. 


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