© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Grüße aus Paris
Bei der neuen Führerpartei
Albrecht Rothacher

Gilles Le Gendre muß man nicht kennen. Aber der Kandidat für Emmanuel Macrons „La République en Marche“ in meinem 2. Pariser Wahlbezirk lud zu seinem „Grand Meeting“ in einem Kinosaal des noblen Hauses der Chemie ein. Dreihundert Leute kamen. Das Publikum: gehobenes Bürgertum, wie sich das für das linke Seineufer gehört.

Eigentlich eine Wahlkampfveranstaltung. Doch man feiert sich hauptsächlich selbst. Vor einem Jahr hatten sich Macron Fans über Internetkontakte in Komitees, kleinen halbprivaten Debattierzirkeln nach dem Aufruf des großen Emmanuel zusammengefunden. Am Podium werden Heldengeschichten vom gemeinsamen Plakatekleben seit September erzählt. Rechte wie linke Alt-Politiker, ein Gewerkschaftler und die neue Gesundheitsministerin, eine NGO- Dame und Krebsspezialistin, dürfen dort das Heldenlied von Herrn Le Gendre, den sie kaum kennen, singen.

Er wirkt freundlich,beflissen, Bussi, Bussi für jeden. Seine Rede – ein Meisterstück.

Erst vor knapp fünf Wochen wurde er wie alle anderen 450 Kandidaten vom Chef persönlich aus 15.000 elektronischen Bewerbungen ernannt. Die Demokratie funktioniert hier ganz klar von oben nach unten, nicht etwa umgekehrt.

Le Gendre war Wirtschaftsjournalist und wurde dann Unternehmer für irgendwas. Er wirkt freundlich, beflissen, Bussi, Bussi für jeden. Seine Abschlußrede war ein Meisterstück an Rhetorik, die nur gebildete Franzosen hinkriegen. Keine politischen Inhalte, aber er liebt Frankreich, will Reformen, die es wieder vorwärtsbringen, Frankreich muß und wird  dank Superman Macron die Lokomotive Europas werden.

Seine Stellvertreterin, eine Anthropologin und frühere Stadträtin von Rachida Dati, ehemals Justizministerin von Sarkozys Gnaden, die jetzt als Lebensberaterin wirkt, hat eine andere Masche: unsicher und sympathieheischend stottert sie sich durch ihre Kurzrede, die auch in einer Apotheose auf „Gilles“ endet.
Die anderen Applaudeure auf dem Podium, eine sozialistische Alt-Senatorin auf der Linken, ein Ex-UMP-Parteichef auf der Rechten, der bekannte Geostratege Dominique Moisi in der Mitte, verbreiten das Loblied auf Gilles und den neuen Präsidenten. Ganz eindeutig: eine neue Führerpartei, wie einstens Forza Italia von Berlusconi.

Mit 54,5 Prozent siegte Gilles Le Gendre in der Stichwahl gegen die Republikanerin Nathalie Kosciusko-Morizet.