© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Griechenland bekommt weitere 8,5 Milliarden Euro
Schuldenmachen wird belohnt
Dirk Meyer

Alle scheinen zufrieden: Griechenland bekommt weitere 8,5 Milliarden Euro, Wolfgang Schäuble kann auf die symbolische Teilnahme des Währungsfonds IWF verweisen und dieser kann seinen Grundsatz „Beteiligung nicht ohne Schuldenschnitt“ aufrechterhalten. Doch nichts ist gelöst: Griechenland muß eine Sparauflage von weiteren fünf Milliarden Euro erfüllen. Diese umfaßt eine Steuererhöhung sowie eine Rentenkürzung von neun Prozent, zusätzlich zu den bisherigen Kürzungen von 25 Prozent seit 2010. Von Strukturreformen ist keine Rede mehr. Das Land scheint nicht reformierbar und ist ohne Wachstumsaussichten.

Indes hebelt der Finanzminister den Bundestag in dem Beschluß zum dritten Hilfspaket aus, der sein Ja nur unter der Bedingung einer Beteiligung des IWF gab. Man traute der EU-Kommission als Kontrolleurin nicht mehr über den Weg. Der zuständige Bundestagsausschuß, der eine erneute Abstimmung des Parlaments hätte initiieren können, akzeptierte die ausgegebene Formel, es gäbe keine „wesentlichen“ Änderungen: de facto eine Selbstentmachtung des Bundestages.

Mit derzeit 326 Milliarden Euro Staatsschulden (180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), einer Arbeitslosenquote von 23 Prozent (bei der Jugend 48 Prozent), einem Null- bis Negativwachstum und einer anhaltenden Kapitalflucht scheint Griechenland alles andere als auf einem guten Weg zu sein – trotz zweier Umschuldungen, die die Gläubiger 2012 insgesamt 150 Milliarden Euro kosteten. Weitere „Schuldenmaßnahmen“ scheinen unausweichlich, wenn nach Auslaufen des Hilfsprogramms im August 2018 ein Kapitalmarktzugang Griechenlands angestrebt wird – bei einem Refinanzierungsvolumen auslaufender Kredite 2019 von zwölf Milliarden Euro. Warum ist diese Wahrheit so schwer umzusetzen?

Ein Schuldenschnitt im diskutierten Umfang würde etwa 120 Milliarden Euro kosten. Davon entfielen 31 Milliarden Euro auf Deutschland. Vor der Bundestagswahl wäre dies keine gute Werbung für die Eurorettungsparteien. Gemäß EU-Vertrag wären der EZB und wohl auch dem Rettungsfonds ESM eine Teilnahme an einem „harten“ Schuldenschnitt verboten. Damit blieben nur Zinssenkungen, Tilgungsstreckungen und Laufzeitverlängerungen. Laut Finanzministerium zahlt Athen für die ersten Hilfskredite derzeit einen Zinssatz von 0,17 Prozent, für das zweite Hilfsprogramm 1,35 Prozent. Aufgrund von Zinserstattungen an Griechenland und der Abführung von Kursgewinnen aus griechischen Staatspapieren durch das Eurosystem errechnete der Ökonom Pablo Triana Portela von der ESADE-Hochschule in Barcelona zwischen 2010 und 2016 sogar einen Negativzins von minus 0,28 Prozent. Sprich: Schuldenmachen will belohnt werden!


Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.