© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/17 / 23. Juni 2017

Inszenierung einer Avantgarde
Kunsthändler: Ausstellung zu Alfred Flechtheim im Berliner Georg-Kolbe-Museum
Fabian Schmidt-Ahmad

Betrachten wir das Umfeld, in dem ein Kunstwerk entstanden ist, so beschränken wir uns gewöhnlich auf seinen Schöpfer. Doch hinter dem Künstler steht oft noch der Kunsthändler, der die Karriere als Käufer, Geschäftspartner, Türöffner und vielleicht als Berater und Freund nicht unerheblich beeinflußt. Darüber hinaus kann sich dieser als Sammler und Mäzen selbst zum Zentrum einer Bewegung machen, die den einzelnen Künstler mitreißt und zum Teil einer Avantgarde macht.

Alles das trifft auf Alfred Flechtheim zu, der neben Paul Cassirer die Kunstszene der Berliner Zwischenkriegszeit wie kaum ein weiterer prägte. Die Galerie Flechtheim am Lützowufer sowie seine repräsentativen Privaträume in der Bleibtreustraße waren nicht einfach nur Ausstellungsräume, sondern auch Plattform der Selbstinszenierung eines Publikums, das sich als Teils einer neuen Zeit verstand. Zeugnis davon gibt die Ausstellung „Alfred Flechtheim – Kunsthändler der Moderne“ im Georg-Kolbe-Museum.

Ausschließlich Flechtheims großem Interesse für die Skulptur widmet sich die Ausstellung. Gleich zu Beginn ein Coup, der Flechtheim 1926 gelang. Zwar war der neun Jahre zuvor verstorbene Edgar Degas als Maler längst anerkannt. Doch als Bildhauer zeigte er sich erst durch zahlreiche Wachsmodelle im Nachlaß. Die Rechte für Bronzeguß und Verkauf in Deutschland sicherte sich der findige Flechtheim, der damit gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurückkehrte.

Denn die Liebe zu den Impressionisten war es, die den 1878 als Sohn eines reichen Getreidehändlers geboren Flechtheim zunächst zum Kunstsammler werden ließ, der ab 1913 mit der ersten Galerie in Düsseldorf seine Leidenschaft zum Beruf machte. Kriegsbedingt löste er diese auf, um in der Nachkriegszeit einen Neuanfang zu wagen. Diesmal in Berlin, wobei die Besetzung des Rheinlandes nur ein willkommener Anlaß zur Umsiedlung in die Metropole war.

Unterstützt wurde Flechtheim von seinem engen Freund und erbitterten Konkurrenten Cassirer. Nach dessen Tod 1926 stieg Flechtheim zum führenden Galeristen auf. Ernst Barlach, Georg Kolbe, Renée Sintenis und viele andere sind es, die einem hier begegnen. Und mitten unter ihnen Flechtheim als Repräsentant eines neuen großbürgerlichen Stils, den er mit seiner Zeitschrift Querschnitt propagierte. Elegant sein und modern hieß: vor der Bauhaus-Villa eine Skulptur von Rudolf Belling, gekauft in der Galerie Flechtheim.

Hoffnungsfrohes Aufflackern zwischen zwei Katastrophen

Bei aller Heterogenität, die Flechtheim als Kunsthändler naturgemäß an den Tag legen mußte, ist doch bei ihm eine durchgehende Linie zu erkennen. Es ist der Reiz, die Liebe zum Neuen, die alle von ihm vertretenen Künstler antreibt. Es ist die fragende Suche nach einem ästhetischen Ausdruck, nach einem Kunstverständnis über kanonisierte Formen hinaus. Ein Tasten in alle Richtungen, das nicht zuletzt die Zerrissenheit jener Zeit ausmacht. Eine Zerrissenheit in mehrfacher Hinsicht, die sich auch in der Ausstellung findet.

Arno Breker gehörte zu jenem Kreis junger Künstler, die Flechtheim nach Kräften förderte. Die gezeigte Porträtbüste seines Bildhauerkollegen Moissey Kogan rechtfertigt Flechtheims Bemühen. Salvador Dalí sollte später einmal Brekers großes Talent rühmen, die Individualität eines Menschen in Materie zu bannen. Doch bekannt wurde Breker als nationalsozialistisches Aushängeschild, während sein heute fast gänzlich vergessener Kollege Kogan 1943 im Konzentrationslager Auschwitz umkam.

Kogan selbst ist durch einen schlichten, minimalistischen Frauentorso vertreten. Für ähnliche Arbeiten, vor allem im neuen Werkstoff Zement, war er bekannt. Der Bannstrahl der „entarteten Kunst“ traf neben Kogan zahlreiche andere, von Flechtheim vertretene Künstler, darunter auch Belling. Nicht jedoch dessen Porträt des Boxers Max Schmeling – einen weiteren Gast auf den Empfängen Flechtheims. Ganz im Gegenteil erfreute sich die Darstellung konzentrierter Kraft zur NS-Zeit großer Beliebtheit.

Der Zeit nach dem Zusammenbruch des alten Deutschlands und des alten Kunstverständnis folgte nicht, wie von der Avantgarde erhofft, ein Zeitalter des Aufbruchs, sondern ein weiterer Abgrund. Flechtheims Blütezeit, sie war rückblickend nicht Morgenlicht, sondern nur das hoffnungsfrohe Aufflackern zwischen zwei Katastrophen. Schon frühzeitig war der homosexuelle Jude mit seinem extravaganten Lebensstil Projektionsfläche nationalsozialistischer Propaganda.

1933 mußte Flechtheim Deutschland verlassen. Trotz seiner kosmopolitischen Ausrichtung war er doch zu sehr verwurzelt, als daß ihm im Ausland ein Neuanfang gelang. 1937 starb Flechtheim verarmt und gebrochen in London. Seine Frau Betty Goldschmidt, die in der Berliner Wohnung gewissermaßen als letzte Dependance der Galerie Flechtheim ausharrte, wählte kurz vor ihrer Deportation 1941 den Freitod. Eine kurze, hitzige, schnellebige Zeit, die aber doch eine Epoche durchmaß, war zu Ende.

Arno Breker, Büste seines Bildhauerkollegen Moissey Kogan 1927/28

Foto: Alfred Flechtheim


Die Ausstellung „Alfred Flechtheim. Kunsthändler der Moderne“ ist bis zum 17. September im Berliner Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Tel.: 030 / 3 04 21 44 www.georg-kolbe-museum.de/