© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Streichholz und Benzinkanister
AfD: Angesichts des nahenden Wahlkampfs und enthüllter Chat-Protokolle macht sich Nervosität in der Partei breit / Rüge für Poggenburg
Christian Vollradt

Von Aufbruchstimmung ist nicht viel zu spüren. „Die AfD läuft derzeit durch schwere Fahrwasser“, steht in einem Rundbrief an die Parteimitglieder, den Bundestagsspitzenkandidat Alexander Gauland sowie die Landesvorsitzenden von Brandenburg und Thüringen, Andreas Kalbitz und Björn Höcke sowie Stefan Möller, gemeinsam unterzeichnet haben. Aktuell laufe „eine systematische Diffamierungskampagne“ mit dem Ziel, die Partei für unwählbar zu erklären. „Leider wird der hierfür notwendige Zündstoff auch aus den eigenen Reihen geliefert“, heißt es in dem am Montag verschickten Schreiben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. 

Anlaß des Alarms der Funktionäre sind die Gespräche („Chats“) der parteiinternen Gruppe „AfD Info LSA“ im Messengerdienst WhatsApp, die vergangene Woche auf der linksextremen Internetseite indymedia anonym veröffentlicht worden waren. Beteiligt an den Diskussionen der Gruppe war auch der AfD-Fraktionschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Er soll darin unter anderem „Deutschland den Deutschen“ geschrieben und über eine „Erweiterung der Außengrenzen“ gewitztelt haben. Andere Teilnehmer kündigten für den Fall einer „Machtergreifung“ an, unter Journalisten ordentlich auszusieben. 

„Die nun in die Öffentlichkeit gelangten Passagen geben in keiner Weise Forderungen oder Ansichten unserer Partei wieder. So ist die Forderung nach der Todesstrafe oder nach der Selektion von Journalisten mit unserem Verständnis eines Rechtsstaats unvereinbar und wird von uns in aller Entschiedenheit abgelehnt. Die öffentliche Wirkung solcher Stellungnahmen ist so groß, daß Repräsentanten unserer Partei kaum die Möglichkeit haben, unsere Positionen entsprechend richtigzustellen“, schreiben nun Gauland, Kalbitz, Höcke und Möller an ihre Basis. 

Poggenburg hatte seine internen Äußerungen inhaltlich zunächst verteidigt. Er könne daran nichts Anstößiges erkennen, da ein Land selbstverständlich denen gehören solle, die dort ansässig seien. Dabei hatte erst im April die AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern den Landtagsabgeordneten Ralph Weber nach einer ähnlichen Äußerung abgemahnt. Die Wortwahl „Deutschland den Deutschen“ sei als Kampfparole der rechtsextremen NPD bekannt, hatte der Landesvorstand in Schwerin argumentiert.

„Botschafter einer zutiefst bürgerlichen Kraft“

Aus den eigenen Reihen war der Magdeburger Fraktionschef zum Teil heftig kritisiert worden. Der sächsische Generalsekretär Uwe Wurlitzer meinte: „Wenn Herr Poggenburg die Formulierung gebraucht und verteidigt, dann ist der in der NPD besser aufgehoben.“ Parteichefin Frauke Petry und ihr Mann, Nordrhein-Westfalens Landessprecher Marcus Pretzell, forderten von den beiden Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland Sanktionen gegen Poggenburg. Am Montag beantragten diese, Poggenburg abzumahnen: „Der Bundesvorstand verurteilt die Äußerungen, die den weltanschaulichen Grundsätzen der AfD widersprechen und weist diese Form von Gedankengut und politischer Torheit ausdrücklich als parteischädigend zurück.“ Zur Begründung heißt es, Poggenburgs Äußerungen „haben das öffentliche Ansehen der Alternative für Deutschland im Wahljahr massiv beschädigt“ und sie in die Nähe des Rechtsradikalismus gerückt. 

 Gauland und die drei Landessprecher fordern in ihrem Mitgliederbrief nun zu äußerster Zurückhaltung auf: „Wir bitten Sie daher, bei Ihrer Kommunikation im Internet oder Facebook stets daran zu denken, daß Sie als Mitglied oder Anhänger der AfD wahrgenommen werden.“ Jede Äußerung könne bei negativer Deutungsmöglichkeit vom politischen Gegner „schonungslos zur Diskreditierung aller Mitglieder und unserer Ziele Verwendung finden“. Das gelte nicht nur im virtuellen Raum, sondern auch „bei Auftritten oder Besuchen von Bürgerveranstaltungen oder Stammtischen“. Die junge Partei habe „noch keinen festen Platz im Parteiengefüge“ und dürfe daher auf keinen Fall „von innen heraus“ gefährdet werden. „Bitte verstehen Sie sich als Botschafter einer zutiefst bürgerlichen Kraft, um unsere gemeinsame Sache zu fördern“, so Gauland, Kalbitz, Höcke und Möller abschließend.

Eine gewisse Verschnaufpause wurde der AfD in Niedersachsen in der Affäre um die Landesliste zur Bundestagswahl (JF 26/17) beschert. Laut einem Bericht des Magazins Rundblick hat das Landgericht Lüneburg den Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Aufstellungsversammlung von Anfang Februar abgelehnt. Damit gilt die dort beschlossene und erst vergangene Woche bei der Landeswahlleiterin eingereichte Landesliste. Vorerst. Denn in der Sache haben die Richter die Vorwürfe noch nicht geprüft. Abgelehnt wurde zumächst nur die Eilbedürftigkeit der Klage. Vorsichtshalber hatte Landeschef Armin-Paul Hampel bereits für eine neue Aufstellungsversammlung am 8. Juli laden lassen. Mit der jetzigen Entscheidung des Gerichts, die Anfechtung abzulehnen, könnte die Veranstaltung ausfallen.

Erfolgreich angefochten wurde unterdessen die Landesliste der Saar-AfD. Hier muß am Sonntag nochmals eine Liste gewählt werden.