© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/17 / 30. Juni 2017

Chinesische Wolken trüben den Flugzeughimmel
Luftfahrtindustrie: Der europäische Hersteller Airbus hofft auf Milliardenaufträge / Wird das Staatsunternehmen Comac neben Boeing zum neuen Konkurrenten?
Albrecht Rothacher

Zuerst die guten Nachrichten. Der Flugzeugbau und der Luftverkehr sichern in Deutschland über 800.000 Arbeitsplätze. China wird laut Airbus noch vor den USA zum größten Flugzeugmarkt der Welt. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die Zahl der Flugpassagiere in dem Milliardenreich vervierfacht. Deshalb müssen Air China, China Southern oder China Eastern in den nächsten 20 Jahren 6.000 Flugzeuge kaufen. Schätzpreis 860 Milliarden Euro. Bislang hat Airbus in den 42 Jahren seiner Geschichte 10.000 Flugzeuge hergestellt.

 Nun die schlechte Nachricht: China will mindestens 2.000 Jets selbst herstellen. Ohnehin muß Airbus, wenn es im Reich der Mitte verkaufen will, seine A330-Großraumflugzeuge für den dortigen Markt in der nahe Peking gelegenen Hafenstadt Tianjin endfertigen, anstatt sie in Hamburg oder Toulouse zusammenzunieten. Außerdem kooperiert der Staatshersteller Comac seit 2011 mit dem kanadischen Bombardier-Konzern, dem Erzfeind von Boeing. Dabei verkaufen die Kanadier den Chinesen ihren technischen Wissensvorsprung.

Der Flugzeugbau ist komplizierter als der von Waschmaschinen oder Fahrrädern. Deshalb fing China mit Hilfe der Kanadier mit einem kleinen Regionalflugzeug mit zwei Triebwerken und neunzig Sitzen an. Es hatte 2008 seinen Erstflug und wird jetzt von Chengdu Airlines eingesetzt. Als nächstes kommt ein Mittelstreckenflugzeug mit 150 Sitzen, die C919, an die Reihe, die mit dem Airbus-Verkaufsschlager A320 und der Boeing 737 konkurrieren wird, mit denen sie eine verblüffende Ähnlichkeit aufweist. Nach sieben Jahren Entwicklungszeit gelang im Mai der Probeflug vom Flughafen Schanghai-Pudong. Die Triebwerke stammen von General Electric, die Reifen von Michelin, die Bord­elektronik von Thales. Noch ist nicht alles „Made in China“. Immerhin liegen schon 570 Bestellungen von chinesischen Staatsfluglinien vor.

Konzertierter Angriff auf das Duopol Airbus und Boeing

Mit Hilfe der Kanadier und der russischen OAK wollen die Chinesen nun zu den Großraumflugzeugen mit 300 Sitzen vorstoßen und das Duopol A330-A350 und der Boeing 777/787 knacken. Mit Probeflügen wird 2023 und mit der Serienproduktion 2025 gerechnet. Doch China rechnet in langen Zeiträumen. Gewinne und Verluste sind in der industriepolitischen Strategie unerheblich. Und: Wer komplizierte Flugzeuge wie die C919 herstellen kann, beherrscht auch die Technologie, um Langstrecken-Bomber zu bauen. Große Hoffnungen für Airbus Helikopter liegen auf dem chinesischen Hubschraubermarkt. Bei 1,37 Milliarden Einwohnern gibt es bislang nur 50 Polizei- und 30 medizinische Nothubschrauber. Insgesamt fliegen dort gerade einmal 800 Zivilhubschrauber am Himmel, zehnmal weniger als in Europa. Der einheimische Hersteller Avikopter versorgt nur das Militär.

Um den Markt für den mittelgroßen H135 zu entwickeln, hat Airbus im Gegenzug für einen Auftrag über 100 Apparate im Wert von 700 Millionen Euro sich zu einem Gemeinschaftsunternehmen im ehemals deutschen Tsingtau bereit erklärt, wo mit chinesischen Partnern ab 2019 die Endfertigung der aus Donauwörth gelieferten Teile stattfinden wird. Bei Wachstumsraten von 20 Prozent schätzen die Airbus-Leute den Absatz im Jahr 2025 auf 2.000 Stück. 

Bei all jenen frommen Hoffnungen machen die Chinesen aus ihren Absichten kein Geheimnis, nämlich die Technologien selbst zu beherrschen, zu kopieren, und schließlich den einstigen Partner mit Billigprodukten und sei es mit Dumping unter den Herstellungskosten an die Wand zu drücken und ihm das wirtschaftliche Lebenslicht auszublasen.

So waren die Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen (Alstom, Siemens) auf den scheinbar unendlichen chinesischen Markt gelockt und gezwungen worden, ihre Technologie an örtliche Partner zu transferieren. Heute produzieren die Chinesen ihre CRH-Züge alle selbst und bieten bei Ausschreibungen von Großprojekten von Indonesien bis in die Türkei zu subventionierten Billigkonditionen unschlagbar mit, so daß die Europäer keinen Fuß mehr in die Vergabetür bekommen. Wenn der Groschen einmal gefallen ist, ist es zu spät.