© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Schwere Kost, leicht dargereicht
Wahlkampagne: Wie der Werbefachmann Thor Kunkel der AfD ein frischeres Image verpassen will / „Weg vom rechten Rand, hin zur Mitte“
Christian Vollradt

Der vor der Partei liegende Wahlkampf werde „extrem hart“, prophezeit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel in einer Videobotschaft an ihre Parteifreunde. Aber: Mit der Aussicht auf den Sprung in den Bundestag biete sich auch die größte Chance. Die Umfragewerte zeigen ein durchwachsenes Bild, sie reichen von 6,5 Prozent bei Allensbach bis zu neun beim Meinungsforschungsinstitut Insa. Dessen Chef soll AfD-Politiker kürzlich beruhigt haben, der Einzug in den Berliner Reichstag sei so gut wie sicher; dennoch macht sich an der Parteispitze Nervosität breit. Die Zustimmungswerte sind gesunken, die Themen rund um die Asylkrise zünden nicht mehr so, und die AfD kann „in den Medien nicht mehr in gleicher Weise durchdringen“, so Weidel.

„Damit man mir zuhört, muß ich sympathisch sein“

Somit steht einer vor besonders großen Herausforderungen; wohlbemerkt jemand, der gar nicht Parteimitglied ist: der Kreativ-Chef der AfD, Thor Kunkel. Der in der Schweiz lebende PR-Berater und Schriftsteller („Das Schwarzlicht-Terrarium“, „Endstufe“, „Subs“), der auch schon für diese Zeitung geschrieben hat (JF 44/15), arbeitet als Werber zum ersten Mal für eine politische Partei – und soll die AfD wieder in die Erfolgsspur setzen. 

Was der Partei zu schaffen macht, sei ihr Image. Dort habe sie kein Problem, sondern ein Riesenproblem, knallte Kunkel seinen Kunden von der AfD gleich zu Beginn seiner Tätigkeit einmal entgegen. Beschönigungen helfen halt nichts. „Die Partei braucht, was im Fachjargon ‘Image shift’ heißt“, erläutert der Werber im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Das bedeutet: das bestehende negative Bild in ein positives zu wandeln. Dazu müsse die falsche Zuordnung an den rechten Rand korrigiert werden, denn sie schade dem Bestreben, die entscheidenden Zielgruppen anzusprechen. „Die AfD gehört in die Mitte der Gesellschaft, sie hat das Potential für eine Volkspartei, und ihre Kernthemen sind relevant für den durchschnittlichen deutschen Wähler“, ist sich Kunkel sicher. Problematisch sei vor allem die negative Darstellung in den Medien. Aber haben nicht auch einzelne Politiker der AfD zur schlechten Außendarstellung beigetragen? Der Werbe-Profi hält sich da lieber bedeckt: Sicherlich gebe es Äußerungen, die „unabhängig vom Marketing“ verliefen und „nicht anschlußfähig an die Kampagne“ seien. Obwohl sicherlich kein AfD-Verantwortlicher absichtlich der Partei schaden wolle, sei es entscheidend, daß es „weniger Wortmeldungen gibt, die nicht zielführend sind“, so Kunkel.

Die schwierigen, harten Themen der AfD – allen voran die Asylkrise, Integrationsdefizite, die Islamisierung, innere Sicherheit und Grenzschutz – müssen Kunkels Kampagnenleute „besprechbar“ machen, wie ihr Kopf das nennt: „Das heißt, die Tonalität darf nicht abstoßend wirken. Die AfD als „happy product“, fordert der Werbe-Profi. Daher das Motto: „Trau dich, Deutschland“. Und Kunkel schärft seinem Kunden AfD ein „Das wichtigste ist: damit man mir zuhört, muß ich sympathisch rüberkommen.“ Das spiegele sich etwa in den Plakatmotiven wider, die auch mal leicht augenzwinkernd daherkommen. „Das darf nicht zu hart, zu maskulin wirken“, betont der 53jährige. „In den Artikeln über unsere ‘Trau dich Deutschland’-Kampagne gab es erstaunlich viel Feedback von Frauen – das ist ein gutes Zeichen“. Femininer gleich positiv. Vorher wirkte das alles zu alt, zu maskulin, zu kühl, zu hart. „Die AfD muß weg vom Image einer Männerpartei“, ist sich Kunkel sicher. 

Dabei war der Start seiner Kampagne durchaus nicht ganz einfach. Mehrere Treffen waren notwendig, darunter eine Krisensitzung in Kassel. Denn einige Landesfürsten der AfD fühlten sich von den Kreativen überrumpelt und nicht genug einbezogen in die Entscheidungsprozesse. Vor „von oben“ vollendete Tatsachen gestellt zu werden, kommt nicht gut an in der Partei. „Ja, es gab zu Anfang Abstimmungsschwierigkeiten“, räumt auch Kunkel gegenüber der JF ein. „Wir haben versäumt, der Basis die Ideen rechtzeitig nahezubringen.“ Doch jetzt sei „Trau dich Deutschland“ federführend für die AfD in Deutschland. „Nur die Bayern machen nicht mit und ziehen ihr eigenes Ding durch.“ Aber das sei egal; auch daß einzelne Verbände zusätzlich noch andere Plakate nutzen. 

Deren Nutzen sei ohnehin begrenzt. „Die müssen nachts aufgehängt werden, damit sie die Antifa morgens wieder runterreißt“, gibt sich der Werbespezialist desillusioniert. „Die digitale Reichweite ist entscheidend.“ Modernes Marketing, so Kunkel, bedeutet nicht, daß alles „schön durchgestylt“ ist. „Es muß Reaktionen bei den Menschen auslösen; was diskutiert wird, das ist gut.“ Deswegen setze die AfD unmittelbar vor der Wahl vor allem auf die sozialen Netzwerke. „Drei Wochen digitaler Wahlkampf, dialogisch: wir warten geradezu auf das Feedback, auch von Gegnern der Partei“, erzählt Kunkel. „Deswegen ist unsere Kampagne auch viel demokratischer als die der Altparteien.“ Die würden sich noch wundern: „Wir sind das kleine Schnellboot zwischen lauter schweren Kreuzern“, lacht der Kreativchef. Und fügt an: „Unsere Kampagne muß so spektakulär sein, daß die Medien nicht daran vorbeikommen, darüber zu berichten. Und so unsere Inhalte mit ihrer Reichweite unter die Leute bringen.“