© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Grüße aus Rom
Negativer Rekord
Paola Bernardi

Es ist brütend heiß, die Sonne knallt erbarmungslos vom Himmel in Rom. Ich warte an der Haltestelle vom Largo Argentina, einem Verkehrsknotenpunkt im historischen Zentrum, und warte auf den Autobus, der mich zur Ara Pacis bringen soll. 

Doch selbst die Katzen im gegenüberliegenden Katzen-Asyl haben sich in dieser Hitze längst unter den Tempelresten verkrochen. Gerade wurde ein neuer Negativrekord für Rom verkündet: So stellte der globale Report für öffentliche Transportmittel „Moovit“ fest, daß die italienische Hauptstadt mit zwanzig Minuten Durchschnittswartezeit Sieger ist, gegenüber New York mit 15, Paris zwölf, Berlin zehn, Hongkong 14, und sogar Mexiko-Stadt brüstet sich mit rekordverdächtigen elf Minuten. 

Die Rekordmarke ist längst überschritten, „mein“ Bus kommt nicht, nur die wartende Menschenschlange wird immer länger, die Köpfe immer roter. Kein Sonnen- oder Regendach bietet Schutz, auch keine Bank zum Ausruhen, einfach nichts, nur ein lächerliches Halteschild. 

Auch der gestreßte Busfahrer reagiert praktisch und hält mitten auf der Strecke.

Die Busse der römischen Verkehrsbetriebe ATAC sind längst berühmt-berüchtigt, nicht nur wegen ihrer rekordverdächtigen Unpünktlichkeit, zahlreichen Streiks – natürlich besonders gern am Wochenende –, sondern vor allem weil ihre Bosse mit zum römischen Mafia-Geflecht gehören. Immerhin geht es hier um Milliardengeschäfte. 

Römische Bürgermeister versuchen stets aufs Neue, gegen diesen Moloch anzukämpfen, doch natürlich ergebnislos. Auf  den sichtbaren Fahrplänen in Rom gibt es keine festen Zeiten, nur Uhrzeiten werden genannt und digitale Wartezeiten. Es sind römische Geisterbusse, die sich nur im digitalen Bereich zu bewegen scheinen. 

Neuer Rekord: Nach geschlagenen fünfzig Minuten kommt mein Bus. Unnötig zu sagen, daß er brechend voll ist und zudem einer Sauna gleicht. Plötzliche wütende Schreie „Achtung, Diebe“ machen die Busfahrt nun vollends zum Abenteuer. Dieses Mal ging es gut. Mutige Männer haben den beiden Roma-Mädchen die gestohlene Handtasche wieder entrissen und der Besitzerin zurückgegeben. 

Auch der gestreßte Busfahrer reagiert praktisch, hält mitten auf der Strecke und schmeißt die beiden jungen Diebinnen raus. Die weinende Japanerin, die das Opfer war, wird liebevoll von allen getröstet. Römischer Alltag.