Dokumentarfilme sind nicht jedermanns Sache, aber diesen muß man einfach gesehen haben. Der Filmemacher Christian Hornung hat mit „Manche hatten Krokodile“(2016) eine Liebeserklärung an das alte St. Pauli gedreht mit seinen Kneipen, schmuddeligen Kaschemmen, Sparklubs und vor allem den Menschen, die dort leben, manche schon seit Jahrzehnten. Er hat sich an ihre Fersen geheftet, ihre Stammlokale aufgesucht, die „Utspann“ oder „Kaffeepause“ heißen, und in denen an der Wand der Sparkasten hängt, wo jeder wöchentlich ein paar Euro einzahlt. Der Sparklub, die Kneipe, das ist ihr zweites Zuhause. Hier finden sie den Lebensraum, den sie gewohnt sind, und der noch nicht zur Feiermeile für gutbetuchte Besucher geworden ist.

Es sind echte Originale, die in den kleinen verräucherten Bierschwemmen ihre Geschichten in die Kamera erzählen, sie sind nicht verbittert, bereuen nichts, aber immer ist da diese Wehmut, diese Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“, von der sie alle schwärmen. Ob sie wirklich so viel besser war?

Wer nur genau hinschaut, erkennt die Magie und Schönheit dieses rauhen Pflasters mit seinen Schicksalen und dem unnachahmlichen Flair. Es ist eine Entdeckungsreise durch einen Stadtteil, in dem Freddy Quinn in der „Washington Bar“ sein „Cigarettes and Whisky“ sang und die durchzechten Nächte auf St. Pauli und der Reeperbahn sehr lang waren.

Hornungs Geschichten bringen uns zum Lachen und zum Staunen und manchmal auch zum Weinen. Sie berichten von Gescheiterten, Tagedieben, Tunichtguten, Abgestürzten und Gestrandeten, Obdachlosen und Kleinkriminellen, echten und falschen Seeleuten, Hafenarbeitern, Rockern und Musikern, Kneipiers, Bardamen und Automatenspielern, von Zuhältern, die sich mit einem Hunderter ihre Zigarre anzündeten und nun keinen Cent mehr besitzen, und ihren Huren, die auf alten Fotos zeigen, wie schön und begehrenswert sie früher waren.

Christian Hornung hat diesem alten St. Pauli ein Denkmal geschaffen. Auch wenn es eines Tages diesen einmaligen Kiez mit seinen tollen Geschichten, von denen manche wahr und andere geflunkert sind, so nicht mehr geben wird: Hornungs Film hält die Erinnerung daran wach.

DVD: Manche hatten Kroko-dile. Lighthouse Home Entertainment 2017, Laufzeit 87 Minuten