© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Verlage sprechen von „Enteignung“
Neues Urheberrechtsgesetz: Der Bundestag erleichtert Bildungsträgern die Nutzung von Büchern und Fachzeitschriften
Gil Barkei

All die Lobbyarbeit der Verlage konnte es nicht verhindern. Im Schatten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hat der Bundestag am 30. Juni noch eine weitere umstrittene Neuerung auf den letzten Metern der Legislaturperiode durchgedrückt. Dank des neuen Urheberrechtsgesetzes dürfen Bildungseinrichtungen wie Museen, Archive, Hochschulen und Bibliotheken nun ohne Rücksprache mit dem Verlag oder dem Autor bis zu 15 Prozent eines Buches oder Fachartikels digitalisieren, vervielfältigen und öffentlich zugänglich machen. 

Das aufwendige Einholen einzelner Lizenzen fällt damit künftig weg, die Vergütung erfolgt pauschal. Wissenschaftler dürfen sogar 75 Prozent eines Werks für ihre Forschungen verwenden. Gleichzeitig sind Verträge, die diese entschärfte „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ umgehen wollen, unzulässig.

Eine Allianz aus 600 Bildungs- und Wissenschaftsverlagen hatte bereits seit Monaten gegen das Gesetzesvorhaben protestiert und beispielsweise in einer ganzseitigen Anzeige in der FAZ an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und an Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) appelliert: „Stoppen Sie unsere Enteignung“. Die Unternehmen  halten die Regelung für verfassungswidrig und fürchten hohe Umsatzeinbußen, die die Existenz einiger Verlage gefährde. Das Gesetz nehme ihnen zudem die Möglichkeit, „einen wertvollen Beitrag für den Wissenschaftsstandort Deutschland“ zu leisten. „Ein Gesetz ohne wesentliche Änderungen durchzuwinken, das offensichtlich verfassungswidrig ist und weltweit vorbildliche Publikationsstrukturen, die Garant für Qualität und Vielfalt sind, massiv bedroht, ist höchst fahrlässig und unverantwortlich“, kritisierte auch der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis. 

Ganz ohne Erfolg scheinen zumindest die Interessenvertreter der Presseverlage jedoch nicht gewirkt zu haben. Bezog der Entwurf noch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel mit ein, gelten die gelockerten Nutzungsvereinbarungen nun nur für Fachzeitschriften. Gerade Tageszeitungen warnten vor drastischen Einbußen bei ihren kommerziellen Archivangeboten. Zudem muß die Bundesregierung prüfen, ob der Bund mögliche Einnahmeausfälle der Verlage überbrücken kann. Ebenfalls nicht mit aufgenommen wurde die Forderung der Linkspartei, die Bestände von Museen online frei zur Verfügung zu stellen. 

Das Gesetz gilt bis 2023. Bis dahin soll die Regierung den Dialog zwischen Rechteinhabern und Nutzern fördern, mit dem Ziel eine zentrale und einfach zu handhabende Online-Lizenzierungsplattform aufzubauen, die den Interessen von Autoren, Verlegern und Nutzern gerecht wird.