© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Das asiatische Intro des Zweiten Weltkriegs
Im Juli 1937 begann der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg, der erst 1945 mit Tokios Kapitulation endete
Gregor Maurer

Mit China und Japan prallten Ende des 19. Jahrhunderts zwei asiatische Großmächte aufeinander. So mußte als Ergebnis des ersten Chinesisch-Japanischen Krieges China 1895 Taiwan an Japan abtreten und Korea als dessen Einflußsphäre akzeptieren. China, durch die europäischen Großmächte auf den Status eines semikolonialen Staates herabgestuft, gelang es auch nach der Revolution 1911 nicht, sich als Ordnungs- oder gar Großmacht in Asien zu behaupten. Vielmehr dehnte Japan, ausgehend von Korea (seit 1910 offiziell Teil des Japanischen Reiches), seinen Einfluß auf die rohstoffreiche Mandschurei massiv aus. 

Ziel von Japans Expansionsbestrebungen war die Dominanz im asiatischen Raum und die Schaffung neuer Absatzmärkte für den kleinen, doch zu diesem Zeitpunkt weit industrialisierten Inselstaat. Konkret ging seine expansionistische Politik von der in der Mandschurei stationierten Guandong-Armee aus. Für jeden ersichtlich wurden Tokios Ambitionen, als bei dem sogenannten „Mukden-Zwischenfall“ japanische Soldaten am 18. September 1931 ein Bombenattentat auf die Südmandschurische Eisenbahn inszenierten und die Armeeführung dies als Vorwand für die Besetzung der Mandschurei nahm. 

Trotz zahlreicher internationaler Proteste wurde daraufhin der japanische Marionettenstaat Mandschukuo mit dem letzten Kaiser Chinas, Puyi, an der Spitze gegründet. 1933 besetzten die Japaner die Provinz Jehol, einen Teil der Inneren Mongolei. Da auch der Völkerbund, aus dem Japan im März 1933 ausgetreten war, nicht in der Lage war, den Konflikt beizulegen, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Konflikt zwischen Japan und China entzünden würde. Dafür lieferte dann am 7. Juli 1937 ein Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke in der Nähe von Peking einen Vorwand. Nach einem dortigen Schußwechsel brach der Krieg zwischen beiden Staaten offen aus – und damit begann faktisch der asiatische Teil des Zweiten Weltkriegs. 

Massaker der Japaner an der chinesischen Bevölkerung

Japans Generale planten, Chinas Zentren in einem dreimonatigen Blitzkrieg zu erobern und somit die Chinesen zu Verhandlungen zu zwingen. Relativ schnell nahmen die Japaner nach der Besetzung des geräumten Peking weitere  strategisch wichtige Städte ein, unter anderem im November Shanghai. Bei ihrem Einmarsch in Chinas Hauptstadt Nanjing am 13. Dezember 1937 verübten die japanischen Truppen ein Massaker an der chinesischen Zivilbevölkerung. Wochenlang zogen die Soldaten plündernd und vergewaltigend durch die Straßen, ermordeten zahllose Zivilisten. Chinesische Soldaten, die sich ergeben hatten, wurden auf öffentlichen Plätzen in Massenexekutionen umgebracht. Bis heute ist die Zahl der Opfer umstritten. Die niedrigsten Schätzungen gehen von 150.000 aus, andere Zahlen sprechen von 300.000. 

In diesem Kontext ist das Engagement des Deutschen John Rabe zu erwähnen. Als Repräsentant von Siemens in Nanjing rettete er Hunderttausenden Chinesen das Leben. Er errichtete – geschützt durch die deutsche Flagge des japanischen Antikominternpartners –eine internationale Sicherheitszone, in der während der Terrorwochen rund 250.000 Chinesen Zuflucht fanden. Zudem nutzte er den unzutreffenden Eindruck der Japaner, bei der Reichsregierung über Einfluß zu verfügen, um seine Schutzzone behaupten zu können. Ihm zu Ehren hat China in Nanjing eine Gedenkstätte errichtet. 

Chinas Nationalregierung unter Tschiang Kai-schek verlor auch in den folgenden Wochen und Monaten fast jede Schlacht. Den Armeen der Nationalregierung fehlte ein ausreichender Stab geschulter Offiziere. Und was Quantität und Qualität ihrer Kampfflugzeuge, Panzer, Artillerie wie auch der Handfeuerwaffen anbelangte, waren die Japaner klar überlegen. Von daher vermied Tschiang Kai-schek nach dem Fall Shanghais offene Feldschlachten. Vielmehr zog er sich mit seinen Truppen ins Landesinnere zurück, in der Hoffnung, daß die Regimenter der japanischen Invasoren aufgrund der schlechten Infrastruktur regelrecht steckenbleiben würden. 

So verlegte er Ende 1937 seine Hauptstadt Richtung Westen, von Nanjing nach Wuhan, und nach dessen Eroberung 1938 durch die Japaner in das durch Berge geschützte Chongching. Ende 1938 – nach der Einnahme Kantons – beherrschten die Japaner alle bedeutenden Bahnlinien und wirtschaftlichen Zentren. Dennoch lehnte die chinesische Nationalregierung weiterhin jegliche Verhandlung ab. Um in diesem Krieg überhaupt eine Chance zu haben, war Tschiang Kai-schek allerdings gezwungen, sich mit seinem Erzfeind Mao Tse-tung, dem Führer der Kommunisten, zu verbünden. Aufgrund des beiderseitigen Mißtrauens bildeten sie jedoch nur unter großen Vorbehalten eine Allianz gegen die Japaner.    

Japans Armeen überdehnten jedoch in den riesigen besetzten Gebieten ihre Kräfte. Die vor ihnen liegenden ungeheuren Weiten des chinesischen Landes-inneren mit seinen Bergen und Wüsten, wie in der Inneren Mongolei, bildeten massive geographische Hindernisse. Nach gut 16 Monaten ging der Krieg folglich in einen Stellungskrieg über. Keiner konnte eine entscheidende Wende herbeiführen, trotz rücksichtsloser Kriegsführung auf beiden Seiten.

Japans Strategie der verbrannten Erde führte ebensowenig zum durchschlagenden Erfolg wie die militärischen Operationen Tschiang Kai-scheks, die oft massive Verluste unter der eigenen Bevölkerung hervorriefen. Rücksichtslos ließ er beispielsweise im Juni 1938 die Deiche des Huanghe ohne Vorwarnung der dortigen Bewohner durchstechen, wodurch Hunderttausende in den Fluten umkamen. Da die Deiche aufgrund des Krieges nicht erneuert wurden, ereignete sich 1943 eine weitere Flutkatastrophe. 

Verbindung Chinas zum US-Verbündeten nur über Birma

Chinas Schicksal sollte somit von Großbritannien und den USA nach deren Kriegseintritt im Dezember 1941 abhängen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die „Flying Tigers“ unter ihrem Kommandanten Claire Chennault und die insbesondere durch General Joseph Stilwell, den US-amerikanischen Stabschef Tschiang Kai-scheks, aufrechterhaltene Landverbindung über Birma durch den Bau der Ledo-Straße. Eine Gedenkstätte, das Stilwell-Museum in Chongching, erinnert bis heute an die chinesisch-amerikanische Waffenbrüderschaft.

Doch noch war Japan auf dem Vormarsch und eroberte Weihnachten 1941 Hongkong. Ende 1944 schien es gar, als ob Japan die Nationalregierung in die Knie zwingen könnte. Spannungen zwischen den chinesischen und US-amerikanischen Befehlshabern trugen dazu ihren Teil bei. Die Japaner drangen nach Westen vor und bedrohten lebenswichtige Zentren an den Straßen, die das unbesetzte China mit Birma und Indien verbanden. Erst das amerikanische Vordringen im Pazifik und letzten Endes der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 führten zur japanischen Kapitulation und damit zum Abzug aller japanischen Truppen und Staatsbürger aus China. Am Ende des Krieges, der bis heute die Beziehungen beider Staaten belastet, hatte allein China zwischen 15 und 20 Millionen Tote zu beklagen.