© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/17 / 07. Juli 2017

Knapp daneben
Der Gesetzgeber ist gefordert
Karl Heinzen

Kinder begegnen der Welt mit einem Grundvertrauen, das diese nicht verdient. Die Eltern, die es besser wissen müßten, haben wenig Veranlassung, diese Fehlwahrnehmung zu korrigieren, sind sie doch deren Hauptprofiteure. Die Lebensmittelindustrie hat daher leichtes Spiel, wenn sie ihre zumeist fragwürdigen Produkte unmündigen Kunden unterjubeln möchte. Wie perfide sie dabei vorgeht, weist nun eine Studie des Europäischen Verbraucherverbandes BEUC nach. Anstatt in der Werbung und auf den Verpackungen verantwortungsvoll und sachlich über die Produkte zu informieren, inszeniert sie Comicfiguren, die den Kindern suggerieren, wie cool es ist, Frühstücksfraß, Süßgetränke oder Fast Food zu konsumieren. Von den 100 Markenmaskottchen in 13 Ländern, die die BEUC-Studie unter die Lupe nahm, warb bloß ein einziges für Obst und Gemüse.

Würden auf den Verpackungen dicke Kinder abgebildet, wäre dies wahrscheinlich abschreckend genug.

„Kinder können nicht zwischen Werbung und Unterhaltung unterscheiden“, faßt BEUC-Generaldirektorin Monique Goyens die Ergebnisse resigniert zusammen. „Das ist etwas, was die Vermarkter verstanden haben.“ Der Vorschlag, den sie unterbreitet, klingt entsprechend hilflos: Die Lebensmittelindustrie soll ja gar nicht auf Comicfiguren verzichten, doch diese, bitte sehr, nur für gesunde Produkte werben lassen. Stellt sie solche aber überhaupt her? Ohne die schützende Hand des Gesetzgebers dürfte sich wohl auch hier nichts ändern. Er könnte es sich leichtmachen und die Regeln, die bereits für Tabakprodukte gelten, einfach auch auf übersüßte Lebensmittel übertragen. Würden auf deren Verpackungen dicke und kranke Kinder abgebildet, wäre dies wahrscheinlich abschreckend genug. Schwabbelkörper, die im TV-Spot schwitzen und ächzen, wenn sie vergeblich einem Ball hinterherjagen, sind alles andere als ein Vorbild. Auch die unschuldige Freude am Fleischkonsum ließe sich den Kleinen nehmen, wenn man es nur wollte. Kinder wissen oft gar nicht, welche unermeßliche Grausamkeit sich hinter ihrer heißgeliebten Minisalami verbirgt. Zeigte die Verpackung einen eindrucksvollen Schnappschuß aus dem Schlachthaus, wären ihnen die Augen sogleich geöffnet.