© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Kaukasischer Dschihad in Berlin
Tschetschenen: Islamistische Moralwächter drangsalieren in Berlin Landsleute, die westlich leben / Sicherheitsbehörden sind alarmiert
Paul Leonhard

Gibt es in Berlin Übergriffe auf lesbische, schwule, bisexuelle oder transgeschlechtliche Flüchtlinge? Ja, sagt die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Deren Anzahl sei sogar von 162 im Jahr 2015 auf 355 im vergangenen Jahr gestiegen. Sind an den bekanntgewordenen Übergriffen selbsternannte tschetschenische „Moralwächter“ beteiligt? Das wisse man nicht, heißt es aus dem Senat. Diesbezüglich seien „keine Sachverhalte zur Anzeige gebracht worden“, so Margit Gottstein von der Senatsverwaltung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei. Auch Senat und Staatsanwaltschaft Berlin liegen „keine Erkenntnisse“ vor.

 Allerdings wurde nach einem auf der Internetplattform queer.de veröffentlichten Beitrag, der der Polizei erst durch eine Presseanfrage bekannt wurde, ein Strafermittlungsverfahren wegen „Störung des Rechtsfriedens durch Androhung von Straftaten gegen Unbekannt“ eingeleitet. „Assalam Alaikum, muslimische Brüder und Schwestern. Hier in Europa tun einige tschetschenische Frauen und Männer, die wie Frauen aussehen, schreckliche Dinge“, heißt es in einem Video, das über Whatsapp Anfang Mai an viele Tschetschenen geschickt worden war. Zu sehen ist ein maskierter Mann, der dem Betrachter drohend eine Pistole entgegenhält: „Wir haben auf den Koran geschworen. Das ist unsere Botschaft, damit ihr nicht sagt, wir hätten euch nicht gewarnt.“ Angeblich haben sich bisher 80 bis 100 gewaltbereite „Moralwächter“ zusammengefunden. Die Gruppe habe bereits zwei junge Frauen in Berlin zusammengeschlagen, berichtete die russischsprachige Internetzeitung Meduza unter Verweis auf einen Journalisten in Berlin. 

In Gefahr seien alle Tschetschenen, die ihre nationale kulturelle Identität ignorierten, indem sie sich mit Personen anderer Nationalitäten anfreundeten oder den „falschen Weg“ wählten. Dazu gehöre Rauchen, Alkohol, der Besuch einer Diskothek oder eines Schwimmbades. Angeblich soll es sich bei den „Moralwächtern“ um Anhänger des von Rußland getöteten ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew handeln. In Berlin begehe eine „selbsternannte Moralpolizei schwere Verbrechen“, behauptet der Verein für russischsprachige LGBTI (Quarteera), der die Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen vertritt. Man stehe in Kontakt mit zwei Betroffenen und fordere die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft auf, Untersuchungen einzuleiten, die Fälle aufzudecken und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren, so Quarteera-Aktivist Wanja Kilber. 

„Europaweite Clan-Verhältnisse“

Die Polizei bestätigt, daß „in bestimmten Whatsapp-Gruppen entsprechende Nachrichten verbreitet werden“. Es werde ermittelt. Islamistische Tschetschenen sind kein rein deutsches Problem. Von „europaweiten tschetschenischen Clan-Verhältnissen auf strukturellem Niveau“ spricht Heiko Homburg, Referatsleiter in der Abteilung Verfassungsschutz im Brandenburger Innenministerium. Die Extremisten würden dezentral agieren, viel reisen und seien kampferprobt. Sollte der IS im Nahen Osten weiter unter Druck geraten und die Kämpfer die Flucht ergreifen müssen, rechne er damit, daß „einige versuchen, nach Europa oder auch Deutschland“ zu fliehen. Schon jetzt gebe es die ersten Syrien-Rückkehrer in Brandenburg, die illegal über Polen eingereist seien. Offenbar haben dort tschetschenische Clans Strukturen aufgebaut, die die Weiterreise ihrer Landsleute organisieren. „Das Kaukasische Emirat, dem sich viele Tschetschenen verpflichtet fühlen, hat sich dem islamistischen IS unterstellt“, so Verfasssungsschützer Homburg gegenüber dem RBB. Damit habe man auch in Brandenburg, wo die Tschetschenen nach den Syrern die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe stellen, IS-Strukturen.

Warnsignale kommen aus Österreich, wo rund 30.000 Tschetschenen leben, der Großteil in Wien. Tschetschenen und Afghanen hätten ihre Fehden beendet und seien mit „Härte und Brutalität“ dabei, die „kriminelle Hoheit in Wien zu übernehmen“, sagte der frühere Wiener Kripochef Ernst Geiger gegenüber der Tageszeitung Heute.  Der überwiegende Teil der vom Brandenburger Verfassungsschutz beobachteten mindestens 80 islamischen Extremisten, die zum Großteil gewaltbereit sind, sind Tschetschenen. Von allen Ethnien in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt seien diese „die Asylbewerbergruppe mit der höchsten Gewaltbereitschaft und der geringsten Integrationsbereitschaft“, zitiert die Märkische Allgemeine den Leiter der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs, Frank Nürnberger: „Es kam schon vor, daß Tschetschenen aus Berlin von Streitigkeiten in Eisenhüttenstadt erfuhren und zur Massenschlägerei anreisten.“