© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/17 / 14. Juli 2017

Ländersache: Brandenburg
Wenden wider Willen
Paul Leonhard

Döbern ist ein beschauliches Städtchen mit rund 3.400 Einwohnern im äußersten Süden der Niederlausitz. Als es noch zum Königreich Sachsen gehörte, lebten hier viele Sorben. Nachdem die Region 1815 an Preußen fiel und die Industrialisierung einsetzte, schrumpfte die slawische Minderheit. 1850 bezeichneten sich zwölf Prozent der 342 Einwohner als Wenden, 1867 kein einziger mehr. Heute seien keine sorbischen Wurzeln mehr vorhanden, auch keine Sorben, versichert Bürgermeister Jörg Rakete (SPD).

In Potsdam ist man da anderer Ansicht. Aus Sicht der Landesregierung ist Döbern eindeutig sorbisch. Deswegen wurde dem Stadtrat eine Erklärung vorgelegt, mit der dieser um den Beitritt zum „sorbisch-wendischen Siedlungsgebiet“ bitten sollte. Als sich die Kommunalpolitiker weigerten, ordnete der Hauptausschuß des Brandenburger Landtages Döbern und sieben andere Orte einfach dem Sorbenland zu. Kulturstaatssekretärin Ulrike Gutheil, die auch Beauftragte für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden des Landes ist, nannte das ein „gutes Signal“, das „entscheidend zur Sicherung der wendischen Kultur und Sprache in der Lausitz“ beiträgt, wo etwa noch 20.000 Wenden leben.

Der Streit um die Erweiterung des sorbisch-wendischen Siedlungsgebietes, zu dem aktuell 43 Orte in Südbrandenburg gehören, schwelt schon seit den neunziger Jahren. Vor vier Jahren ging es besonders heiß in der Stadt Forst zu, wo der Vertreter des Rates für sorbische Angelegenheiten auf „sorbische Traditionen“ verwies, die die Stadtväter nicht erkennen konnten. Diese protestierten gegen „einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“.

Knickte die Landesregierung damals noch ein, hat sie inzwischen dazugelernt und das Sorben/Wenden-Gesetz geändert. Sah dieses bis 2014 vor, daß Gemeinden, die zum Siedlungsgebiet gehören wollten, den Nachweis einer „kontinuierlichen sprachlichen und kulturellen sorbischen (wendischen) Tradition bis zur Gegenwart“ erbringen mußten, so kann den Beitritt jetzt auch der Rat für sorbische/wendische Angelegenheiten beantragen.

Viele Orte wehren sich inzwischen gegen ein Zwangsbekenntnis zum Wendentum. So hätten sechs der acht Gemeinden, die Mitte Mai vom Landtag für sorbisch erklärt wurden, Klage beim Verwaltungsgericht Cottbus eingereicht, berichtet die Sächsische Zeitung und zitiert den Größräschener Bürgermeister Thomas Zenker (SPD): „Wir sind vom Brandenburger Ministerium zum sorbischen Siedlungsgebiet ohne Sorben deklariert worden.“ Auch Döberns Bürgermeister kündigt an, „alle notwendigen rechtlichen Möglichkeiten“ gegen die zwangsweise Eingliederung auszuschöpfen. Die Stadtverordneten haben ihm mit einem einstimmigen Votum den Rücken gestärkt.

Während die Kläger hoffen, daß die Regierung ein Einsehen habe und die parlamentarischen Entscheidungen der Lausitzer Städte und Gemeinden respektiere, ist sich Staatssekretärin Gutheil gewiß, daß die Klagen „wenig Aussicht auf Erfolg“ haben: „Am Ende des Gerichtsverfahrens werde sich die Erkenntnis durchsetzen, daß die Zugehörigkeit zum sorbisch-wendischen Siedlungsgebiet viele Vorteile bietet und niemandem ein Nachteil entsteht.“