© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/17 / 21. Juli 2017

Risse in der Appeasement-Mauer
Nach dem G20-Gipfel: Linke Parteien sehen sich mit Vorwürfen konfrontiert, den Linksextremismus verharmlost zu haben
Paul Leonhard

Nach den Gewaltexzessen in Hamburg zeigt sich die schwarz-rote Koalition kleinlaut, aber bis zur Bundestagswahl um Schulterschluß bemüht. So gibt es von Kanzleramtsminister Peter Altmaier, (CDU) die gewünschte Rückendeckung für Hamburgs Ersten Bürgermeister: „Ich kann keine Begründung erkennen, warum Olaf Scholz zurücktreten sollte.“ Dabei hatte dieser erst gegenüber den Hamburgern eine Sicherheitsgarantie abgegeben und dann während der sich abzeichnenden Eskalation lieber in der Elbphilharmonie gesessen, als in der Einsatzzentrale der Polizei. Dabei kann die linksextremistische Gewaltorgie die Regierenden nicht überrascht haben. Ein Blick in den drei Tage vor Beginn des Gipfels vorgestellten Verfassungsschutzbericht genügt. 

„Die Mobilisierungsfähigkeit der linksextremistischen Szene wird spätestens zum G20-Gipfel einen erneuten Höhepunkt erleben“, heißt es da auf Seite 128. Hamburg mit seiner aktiven, ortskundigen und erfahrenen linksextremistischen Szene sei „ein günstiges Terrain für Besetzungsaktionen, Blockaden und Straßenkrawalle“, schreiben die Verfassungsschützer. 

Man rechne „vor und während der Veranstaltung mit militanten Aktionen gewaltorientierter Linksextremisten“. Explizit wird auf das autonome Zentrum „Rote Flora“ und das antiimperialistisch geprägte „B5“ verwiesen. Die Verfassungsschützer bescheinigen den Linksextremisten „Anschlußfähigkeit“ an die Aktionsfelder „Antifaschismus“, „Antirassismus“ oder „Antigentrifizierung“ und damit an die vom Bundesfamilienministerium geförderten Projekte. 

Erkenntnisgewinn bei der Regierungskoalition

Dort sei mit dem Wechsel von Kristina Schröder (CDU) zu Manuela Schwesig (SPD) ein Klima gefördert worden, „in dem sich linksextreme Gewalt der klammheimlichen Unterstützung vieler glaubte sicher zu sein“, konstatiert CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. In Berlin habe sich die Koalition aus SPD, Linken und Grünen nicht nur mehrfach einem Beschluß gegen Linksextremismus verweigert, sondern sogar „die Verurteilung jeder politisch motivierten Gewalt“ abgelehnt, kritisiert der Berliner FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe. Das seien deutliche Signale der Unterstützung und Billigung an die linksextremistische Szene. 

Die Brandenburger CDU fordert die Wiedereinführung der Extremismusklausel. Diese hatte vorgeschrieben, daß Antragsteller für die Bundesförderprogramme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, „Initiative Demokratie stärken“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ – alle drei letztlich Programme zur Förderung von linker Subkultur – sich zum Grundgesetz bekennen müssen. Einen Erkenntnisgewinn verzeichnet nach den Krawallen von Hamburg auch die Regierungskoalition: Die Demokratieerklärung abzuschaffen sei ein Fehler gewesen, sagt CDU-Generalsekretär PeterTauber heute. Justizminister Heiko Maas (SPD) fordert eine europaweite Extremistendatei, CSU-Chef Horst Seehofer eine „ernsthafte politische und juristische Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus“. Für Oppositionsführerin Sahra Wagenknecht (Linke) ist das die falsche Wortwahl. Gewalt und links würden sich ausschließen: „Ich weiß nicht, wie durchgeknallt man sein muß, um zu glauben, den Kapitalismus dadurch erschüttern zu können, daß man Autos anzündet und Läden leerräumt.“