© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ein Muttertier mit einer Mission
Thorsten Brückner

Sie sah aus wie frisch aus dem Urlaub. Braungebrannt und gut gelaunt erschien Birgit Kelle in dem bayerischen Restaurant in Berlin-Moabit zur Vorstellung ihres neuen Buches. „Muttertier“, so der Titel ihres nach eigenen Worten bisher persönlichsten Werkes.

 Wie schon bei der Präsentation ihrer Vorgängerschrift „Gender-Gaga“, für die sie damals die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Albsteiger gewinnen konnte, erhielt Kelle auch diesmal Schützenhilfe aus den gelichteten Reihen der konservativen Restbestände der Union. Diesmal würdigte die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel Kelles neues Buch, das sie als „sehr lesenswert“ bezeichnet, da es die Mutterrolle einmal etwas anders beleuchte. Kinder könne man nicht nebenbei erziehen, Familie brauche Zeit. Damit stellt sich die vierfache Mutter laut Pantel positiv gegen den Zeitgeist.

 Die rund 40 Gäste, die der Einladung des Berliner Landesverbands der „Christdemokraten für das Leben“ gefolgt waren, setzten sich aus noch aktiven und enttäuschten ehemaligen CDU-Mitgliedern genauso zusammen wie aus neuen AfD-Mitgliedern. Ebenso spannend wie die Buchpräsentation waren dementsprechend auch die Gespräche an den Tischen im Vorfeld. Hier prallten AfD-Positionen auf solche, die Merkel immer noch die Treue halten. „Ich sag besser nichts mehr“, beendete ein AfD-Sympathisant frustriert das Gespräch mit einer CDU-Anhängerin. Kelle wandte sich in ihrem Vortrag gegen die Vorstellung vieler Feministinnen, daß Mütter befreit werden müßten. „Wenn Mütter befreit werden müssen, dann von den Zwängen des kapitalistischen Marktes.“ 

Für Kelle sind zahlreiche Frauen Opfer einer „Gehirnwäsche der letzten 20 Jahre“ geworden. Dies zeige sich daran, daß sich viele Frauen, mit denen sie spreche, an die Diktion von Politik und Medien gewöhnt hätten, Arbeit sei nur, wenn es auch bezahlt werde. Auf Fragen nach ihrer Beschäftigung antworteten deshalb viele: „Ich bin nur Mutter“, oder „Ich arbeite nichts“. Kelles Widerspruch: „Natürlich arbeiten Mütter, sie werden nur nicht dafür bezahlt.“ Familienpolitik sei heute eine Form von Wirtschaftspolitik, mit dem Ziel, Frauen möglichst rasch wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Für eine besondere Gefahr hält Kelle die von linken Kreisen forcierte Dekonstruktion des Mutterbegriffs. 

Es gehe schon damit los, daß man nicht mehr von Mutterschaft, sondern von Mutterrolle spreche. Die Grünen forderten das Konzept der sozialen Elternschaft. Die Rolle des Vaters und der Mutter wäre dabei austauschbar. Gerade vor dem Hintergrund der vom Bundestag beschlossenen „Ehe für alle“, die ein Adoptionsrecht für Homosexuelle beinhaltet, könnte dies in Zukunft zur „perfidesten Form Ausbeutung der Frau“ führen: die Leihmutterschaft, da zwei schwule Männer nun einmal kein Kind bekommen können. Kelle: „In Deutschland gibt es Welpenschutz, aber kein Gesetz, daß es einem Menschenkind garantiert, die ersten Monate bei der Mutter verbringen zu dürfen.“ Aber zumindest gibt es in Deutschland Muttertiere wie Birgit Kelle.