© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Blick in die Medien
Olle Kamelle, neue Anspielungen
Tobias Dahlbrügge

Im September ist Bundestagswahl. Da ist die Gefahr groß, daß die unzuverlässigen Wähler einfach machen, was sie wollen und nicht die richtigen Parteien wählen. Darum müssen bei der Volkserziehung sicherheitshalber noch ein paar Briketts nachgelegt werden.Der Berliner Tagesspiegel hat sich dazu ein neues Format ausgedacht, oder besser: eines aus den Kindertagen der Presse wiederbelebt – den Fortsetzungsroman. In den 100 Tagen vor der Wahl erscheint in 100 Fortsetzungen der Roman „Und erlöse uns von allen Üblen“ von Michael Jürgs.

Man könnte den kruden Plot auch als Werbung für linke Lynchkommandos interpretieren.

Die Handlung: Der Chef der rechtspopulistischen Partei „Nationale Alternative“ stiftet heimlich zu Brandanschlägen auf Asylbewerberheime an, doch die Täterschaft kann ihm nicht nachgewiesen werden. Darum wird er von einer Gruppe selbsternannter Rächer ermordet. Die Geschichte strotzt vor Stereotypen und dumpfen Ressentiments linker Stammtische: Der böse Rechte ist „ein Patriarch alter Schule“, ein „knallharter Diktator“ und natürlich ein schlimmer „Fabrikant“, der Gewerkschaftsmitglieder feuert – gähn! Von „Subtext“ kann keine Rede sein: Die Leser des Tagesspiegels müßten schon sehr begriffsstutzig sein, um das offensichtliche Winken mit dem Telegraphenmast zu übersehen und nicht als Wahl-Warnung gegen die AfD zu verstehen. Wollte man Autor und Verlag Böses nachsagen, könnte man den kruden Plot auch als kaum verhohlene Werbung für linke Lynch­kommandos interpretieren.

Was jedoch der Redaktion offenbar nicht auffiel oder schnurzegal war: Der Roman ist eine Zweitverwertung eines zwanzig Jahre alten Buches desselben Autors: 1998 erschien Michael Jürgs’ „Das Kleopatra-Komplott“. Die Handlung, die gleiche: Ein Chef einer rechtsradikalen Partei, Attacken auf Asylbewerber, keine Beweise, selbsternannte Rächer – doppelgähn! Offenbar war der Titel kein Verkaufserfolg, so daß der zweite Aufguß keinem auffiel. Etwas mehr Originalität hätte man sich im Wahlkampf „gegen Rechts“ aber doch wünschen dürfen.