© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/17 / 28. Juli / 04. August 2017

Heimtückischer Kulturbruch
Die Ermordung des Bankmanagers Jürgen Ponto durch RAF-Terroristen leitete den Deutschen Herbst von 1977 ein
Stefan Scheil

Wer Anfang Juli die Berichte vom G20-Gipfel in Hamburg verfolgt hat, sah eingeschlagene Scheiben, Krawall, schwarzen Rauch und vielfach offen angedrohte Gewalt linker Extremisten. Er konnte auch erleben, wie führende Politiker der Linkspartei und der Grünen Verständnis für diese Gewaltausbrüche zeigten und stattdessen die Polizei für ihre Versuche kritisierten, dagegen einzuschreiten. 

Der Zuschauer sah im weiteren, wie die öffentlich-rechtlichen Medien sich wieder und wieder auf die Seite der Demonstranten stellten und Sympathie zeigten. Die Polizei sei „bisher noch friedlich geblieben“, hieß es in einem ZDF-Bericht, der wie von zwei gleichberechtigten Kriegsparteien sprach. 

Wer den „deutschen Herbst“ im Jahr 1977 miterlebt hat, kennt den damaligen Begriff dafür: „Sympathisant“. Wie oft konnte der interessierte Beobachter damals und später die Versuche beobachten, bei denen der mehr oder weniger linksgerichtete bundesdeutsche Mainstream die Ursachen von Gewalt irgendwie der bundesdeutschen Gesellschaft anlasten wollte. Das galt nicht selten auch für Gewalt der extremen Sorte. Es sei von anderer Seite „strukturelle Gewalt“ vorausgegangen, gegen die man sich schließlich irgendwie zur Wehr setzen müsse, hieß es. Gern wurde Max Horkheimers Ausspruch bemüht, daß vom Faschismus schweigen müsse, wer vom Kapitalismus nicht reden wolle. So war denn alles in eins gerührt, und ein angezündetes Kaufhaus im Jahr 1968 konnte in den linksextremen Einbildungswelten irgendwie als Fanal gegen 1933 erscheinen.

„Klammheimliche Freude“ in der linken Szene

Man tut gut daran, sich an diese Verhältnisse zu erinnern. Der außerordentliche Haß, der im Jahr 1977 zunächst den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, im Juli dann den Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, und schließlich den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer tödlich treffen sollte, war zwar ein extremes, aber zweifelsfrei ein Produkt genau jener linken Gedankenwelt, deren Milieu weiterhin intakt ist. 

Der Mord an Jürgen Ponto bekam besondere Tragik dadurch, daß eine mit der Familie befreundete junge Frau ihn erst in dieser Form ermöglichte. Ihr Name war Susanne Albrecht. Bei Pontos öffnete sich arglos die Wohnungstür, als Albrecht mit zwei Begleitern und mit Blumen vor der Tür stand. Ponto führte nach seiner Meinung ganz gewöhnliche Gäste ins Eßzimmer. Was danach geschah, ist umstritten. Ob eine Entführung oder von Anfang an ein Mord geplant war, ist unklar. Jedenfalls lag Jürgen Ponto nach kurzer Zeit am Boden, getroffen von fünf Kugeln aus nächster Nähe, die von den RAF-Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar abgefeuert worden waren. Einen Kampf gab es nicht. Der Bankier soll auf die bedrohliche Situation zuvor offenbar lediglich mit einem erstaunten: „Sie sind wohl verrückt?“ reagiert haben.

So wurde Ponto letztlich ein vergleichsweise zufällig ausgewähltes Opfer einer verblendeten und verhetzten Gesinnung. „Buback, Ponto, Schleyer, der nächste ist ein Bayer“, höhnte die linke Szene später mit Blick auf Franz Josef Strauß und erfreute sich an der Karikatur von taz-Zeichner Gerhard Seyfried zum Thema Ponto. Sie zeigte zwei mit breitem Grinsen an der Haustür klingelnde Gestalten mit Blumenstrauß und vorgehaltener Pistole. 

Im Gegensatz zur offenbarten „klammheimlichen Freude“ im linken Milieu – wie schon zuvor beim Mord an Buback (JF 15/17) – reagierte die offizielle Republik mit einem Trauerakt, der die ganze bundesdeutsche Prominenz versammelte. Der Mord wurde nicht nur rhetorisch, sondern auch tatsächlich als außergewöhnlicher Kulturbruch empfunden. Ein derart heimtückischer politischer Mord, aus dem engeren Vertrautenkreis mit organisiert, war bis dahin unvorstellbar gewesen.

Es folgten noch viele weitere Morde, bis der bundesdeutsche Staat die Angelegenheit schließlich im Griff zu haben schien, zumal nach 1989 und dem Ende der DDR das logistisch wichtigste Rückzugsgebiet des Linksterrorismus als Basis entfallen war. Dessen Gedankenwelt blieb allerdings intakt. Erhalten blieb auch die grundsätzliche Sympathie in bedeutenden Teilen des bundesdeutschen Medien- und Politikbetriebs für diese Ideologie, was so manche irrationale politische Entscheidung mit verursacht hat. So blieb denn auch im Fall von Hamburg die offene Kritik an der Gewaltorgie als einem dezidiert linksextremistischen Phänomen selbst von Regierungsseite weitgehend aus.