© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/17 / 11. August 2017

Pankraz,
die Leitmedien und der Großtwitterer

Volle zwanzig Seiten wert ist dem internationalen Polit- und Gesellschaftsmagazin Vanity Fair in seiner jüngsten Ausgabe die Schilderung des „tagtäglichen Wettstreits um die größte Negativstory über US-Präsident Donald Trump“, der zur Zeit – so die Zeitschrift – zwischen den beiden einflußreichen amerikanischen „Leitmedien“ Wa-

shington Post und New York Times  tobt. Die Story liest sich wie ein Schauerroman aus der untersten Qualitätskiste oder, genauer noch, wie ein unzensierter Sensationsbericht aus dem Hauptquartier der US-Truppen während des Zweiten Weltkriegs.

Die Chefredakteure der Blätter, Marty Baron und Dean Baquet, werden mit den beiden führenden Feldmarschällen Patton und Montgomery verglichen, die sich damals verbissen um das Privileg stritten, von der Presse und von der Regierung in Washington als Urheber sämtlicher militärischen Erfolge wahrgenommen zu werden. Ging es damals um die Invasion in Frankreich oder die Atombombe über Hiroshima, so geht es heute um die größte Dummheit (oder Gemeinheit oder Grobheit), die Trump „wieder einmal“ von sich gegeben habe. Wurde sie nun von Baquet (NYT) als erstem aufgespießt oder von Baron (Post)?

Mag sein, das Magazin Vanity Fair übertreibt gern, aber mittlerweile fragen sich auch maßvollste Politbeobachter in aller Welt kopfschüttelnd, welcher Teufel in die Washingtoner Leitmedien gefahren ist. Gewiß, Trump hat sie nach Amtsantritt frontal herausgefordert und läßt sie auch heute noch oft genug spüren, was er von ihnen hält – nämlich gar nichts. Doch muß man darauf, wie in Vanity Fair ausführlich belegt, mit redaktionellen Wut- und Haßausbrüchen reagieren, muß man den politischen Teil seiner Zeitung deshalb unbedingt in eine Meinungskloake verwandeln, aus der es nur noch übel riecht?


Nicht die geringste Spur von Ironie oder Amüsement in den täglichen Trump-„Enthüllungen“, auch keinerlei Abwägen mehr angesichts konkreter präsidentieller Entscheidungen („wo hat er eventuell recht, wo könnte er sich noch verbessern?“), überall nur frontale Totalhäme, Vernichtungswille, abgrundtiefe Verachtung. Völlig weggedrängt wird inzwischen die Tatsache, daß es sich um einen Präsidenten handelt, der vom amerikanischen Volk auf demokratische Weise in sein Amt gewählt wurde, daß er also die Mehrheit der Volksmeinung abspiegelt und Anspruch auf Respekt und zumindest Höflichkeit hat.

Und mehr als das. Präsident Trump verkörpert ja, wie soeben Slavoj Žižek in einem Essay in der Neuen Zürcher Zeitung recht glaubhaft dargelegt hat, den Volks- beziehungsweise Wählerwillen in seiner modernsten, unserer immer mehr digitalisierten Wirklichkeit am besten angepaßten Gestalt. Trump, so seine Gegner in der New York Times und der Washington Post, sei – bestenfalls – ein Clown. Doch darauf Žižek: Das Problem ist nicht der Clown Trump. Das Problem ist, daß hinter seinen Provokationen ein Programm steht, hinter seinem Wahnsinn Methode.

Zitat Žižek: „Die vulgäre Obszönität von Trump und all den anderen ist Teil ihrer populistischen Strategie, um ihr politisches Programm an den kleinen Mann zu bringen (…) Langfristig gesehen arbeitet diese Politik natürlich gegen die Interessen der einfachen Leute: weniger Steuern für die Reichen, Abbau der Gesundheitsversorgung, schlechterer Arbeiterschutz und so weiter. Aber leider schlucken die Leute vieles, solange sie dabei herzhaft lachen können.“

Trump als von den „wirklich Mächtigen“ bewußt eingesetzte Lachnummer, um die leidenden Massen über die gegenwärtige Misere hinwegzutrösten – dieses Bild ist natürlich nur das Trugbild des überzeugen Altmarxisten Žižek, der sich damit über das totale Scheitern seiner eigenen Ideologien hinwegtrösten möchte. Richtig daran ist aber, daß die moderne politische Welt – nicht zuletzt dank dem Walten solcher Kräfte wie der Wa-shingtoner Leitmedien – insgesamt zum Witz geworden ist, zur grellen Karikatur dessen, was gute, effiziente Politik eigentlich sein sollte.


Donald Trump – fast ist man versucht, von einer persönlichen Lebenstragödie zu sprechen – ist keineswegs, wie Žižek nahelegt, angetreten, um die grelle Karikatur von Politik, die uns tagtäglich aus den Medien entgegengrinst, weiter auszumalen, sondern er will die Politik ganz offenbar zornigen Herzens energisch aus der Sphäre der Komik befreien, sie wieder auf ernste Realprobleme zurückführen. Nicht zuletzt deshalb seine Grobheiten, seine Indiskretionen und seine überraschenden Kehrtwenden.

Es steckt viel „Learning by doing“ im politischen Alltag des Donald Trump, und das ist ein sympathischer Zug. Nur allzu oft geben sich Politiker ja als eine Art unbezweifelbare Wahrheitsinstanz aus, die kraft ihres Amtes den Lauf der Dinge bis auf den Grund durchschauen. Es war wirklich hoch an der Zeit, daß endlich einmal einer von ganz oben (man denke, der gewählte Präsident der USA!) dazwischenfuhr und den anmaßungsvollen politisch-medialen Komplex mit groben Worten und abrupten Kurswechseln  auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Die Sache hat freilich eine Kehrseite, und die wiegt nicht weniger schwer. Jeder Form von   Politik, auch und gerade der unkomischsten, wohnt eine ganz spezielle, ureigene Würde inne. und die ist von Trump bisher wohl ein bißchen zu oft ignoriert worden. Es genügt nicht, einfach „Stimmungsdemokratie“ zu machen und dem „kleinen Mann von der Straße“ nach dem Mund zu reden und seine Gesten zu übernehmen. Vielmehr gehört ein gewisser „hoher“ Ton durchaus zum genuin politischen Sprechen, ohne Überheblichkeit, doch geprägt von Verantwortungsbewußtsein bis in die Kommata hinein.

Hier hat Trump zweifellos noch manches aufzuarbeiten. Als erstes sollte er mit dem allabendlichen Twittern aufhören. Tweets gehören nicht zum guten politischen Stil. Jeder Esel kann heutzutage nach Belieben Tweets absetzen und tut es auch, US-Präsidenten sollten sich da heraushalten.