© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Nachdem der Rauch verzogen ist
G20-Gipfel: Justiz und Politik in Hamburg beginnen mit der Aufarbeitung der schweren Krawalle / AfD-Fraktion fordert Ortstermin in der linksextremen „Roten Flora“
Peter Möller

Schwarze Rauchsäulen Dutzender brennender Fahrzeuge über der Stadt, geplünderte Geschäfte und Barrikadenkämpfe, die erst von schwerbewaffneten Spezialeinheiten der Polizei mit vorgehaltenen Waffen beendet werden konnten: Die Bilder der bürgerkriegs-ähnlichen Ausschreitungen von Linksextremisten während des G20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli haben sich eingebrannt.
 
Nun kommt langsam auch die juristische Aufarbeitung in Fahrt. Nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft laufen derzeit noch 162 Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer von Anti-G20-Protesten. Den Beschuldigten, von denen 33 Personen in Untersuchungshaft sitzen, werden Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung vorgeworfen. Ende August soll dem ersten Gegendemonstrant, dem 24 Jahre alten Polen Stanislaw B., der Prozeß gemacht werden.

Bei seiner Festnahme fanden die Beamten bei ihm unter anderem Feuerwerkskörper, ein Sprühgerät für Reizgas und Glasmurmeln, die als mögliche Munition für eine Zwille gedient haben könnten. Stanislaw B., dem Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Versammlungsgesetz zur Last gelegt werden, drohen bis zu zwei Jahre Haft – oder eine Geldstrafe. Der Verteidiger des jungen Mannes spricht dagegen von einem Justizskandal und stellt ihn als Opfer dar: „Mein Mandant ist ein 24jähriger Kunststudent, der in Warschau bei seiner Mutter wohnt. Er ist nicht vorbestraft und noch nie polizeilich aufgefallen“, beteuerte der Anwalt gegenüber Spiegel Online.

Ein anderer Fall beschäftigt mittlerweile sogar das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Vor dem höchsten deutschen Gericht hat die Hamburger Strafverteidigerin Gabriele Heinecke Verfassungsbeschwerde für ihren 18 Jahre alten Mandanten Fabio V. eingelegt und die sofortige Aufhebung der Untersuchungshaft für den Italiener beantragt. Die Staatsanwaltschaft der Hansestadt wirft dem Fabrikarbeiter unter anderem vor, während des G20-Gipfels bei Auseinandersetzungen zwischen etwa 200 Demonstranten des Schwarzen Blocks und Sicherheitskräften Polizisten tätlich angegriffen zu haben. In einem Beschluß zur Fortdauer der Untersuchungshaft hatte das Hanseatische Oberlandesgericht „erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel“ bei dem Beschuldigten festgestellt, „die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen“.

Eine zentrale Bedeutung bei der Aufarbeitung der G20-Krawalle in der Hansestadt kommt der Frage zu, welche Rolle dabei die linksextremistische „Rote Flora“ spielte. In Sicherheitskreisen wird davon ausgegangen, daß die „Rote Flora“ bei der Planung und der Unterstützung der gewalttätigen Proteste eine zentrale Rolle gespielt hat. Seit den Krawallnächten Anfang Juli ist das linksextremistische Zentrum im Schanzenviertel daher verstärkt ins Visier der Politik geraten. Selbst in Kreisen der regierenden SPD wird eine Räumung der „Roten Flora“, die einer städtischen Stiftung gehört und durch Steuergelder finanziert wird, nicht mehr ausgeschlossen.
Ende August konstituiert sich der von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzte Sonderausschuß G20. Bereits vor dessen erster Sitzung hat die AfD-Fraktion den Druck auf den Senat erhöht und eine „Ortsbegehung“ der „Roten Flora“ beantragt. „Jedes Ausschußmitglied muß wissen, worüber es redet und nötigenfalls abstimmt. Dazu ist ein Ortstermin in der Roten Flora unerläßlich“, begründete der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, der frühere Innensenator Dirk Nockemann, die Forderung seiner Partei nach einem Blick hinter die Kulissen.

 Maßgeblich mit beigetragen zur schlechten Stimmung für die „Rote Flora“ in Hamburg hatte unmittelbar nach den Ausschreitungen der Anwalt des Linken-Zentrums, Andreas Beuth, der vor laufenden Kameras Verständnis für die Gewaltausbrüche gezeigt hatte. Nachdem daraufhin 25 Strafanzeigen gegen den Juristen gestellt wurden, ermittelt mittlerweile die G20-Sonderkommission der Hamburger Polizei wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten gegen den Anwalt. Beuth drohen bei einer – allerdings eher unwahrscheinlichen – Verurteilung eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft.