Wir sind einfach Vereinsmeier. 600.000 Vereine zählt es in unserer Heimat. Skurrile, treffsichere, pflegende, singende, angelnde, gärtnernde und, und, und. Viele von ihnen sind gemeinnützig. Und dadurch, nämlich durch die Anerkennung ihrer Arbeit für die Gesellschaft, also für die Allgemeinheit, sind Spenden an den Verein steuerlich absetzbar. Das ist wichtig. Denn durch Spenden ist der ehrenamtliche Einsatz für die Gesellschaft eben überhaupt leistbar.
Doch jetzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil einer Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit aberkannt. Am 17. Mai entschied das höchste deutsche Finanzgericht gegen eine Freimaurerloge (Aktenzeichen VR 52/15). Die Loge verliert ihren Status der Gemeinnützigkeit. Grund: Frauen dürfen dort nicht Mitglied werden. Damit sei die Loge nicht gemeinnützig. Irritierend ist der letzte Absatz in der Pressemitteilung, dort ist zu lesen: „Die Entscheidung ist zu einer traditionellen Freimauerloge ergangen. Das Urteil des BFH könnte sich aber auch auf Vereine auswirken, die die Gemeinnützigkeit in Anspruch nehmen, aber wie zum Beispiel Schützenbruderschaften, Männergesangsvereine oder Frauenchöre Männer oder Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließen.“ Nun ist die Aufregung groß.
„Man hat seitens des Gerichts mit diesem Urteil in ein Wespennest gestochen“, sagt Christoph Wäger, Pressesprecher des BFH, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Was ich persönlich gut finde.“ Wäger schränkt dann jedoch ein: „Das Urteil gilt unmittelbar nur zwischen den Parteien. Auf breiter Basis wird die Finanzverwaltung das Urteil erst beachten, wenn es im Bundessteuerblatt veröffentlicht ist.“
Das ist wiederum Sache des Bundesfinanzministeriums. „Das Bundesministerium der Finanzen hat die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Frage der Gemeinnützigkeit einer Freimaurerloge, deren Mitgliedschaft ausschließlich Männern vorbehalten ist, zur Kenntnis genommen“, sagt Daniel Fehling, Pressesprecher des Ministeriums, gegenüber der JF. „Eine mögliche Veröffentlichung im Bundessteuerblatt sowie aus dem Urteil zu ziehende sonstige Konsequenzen werden gemeinsam mit den Ländern erörtert.“
Was sagen denn die Vereine und Verbände selbst? Rolf Nieborg ist Bundespressesprecher des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften e. V. (BHDS e.V.). Das ist der Dachverband und anerkannte katholische Verband von 1.300 Bruderschaften mit etwa 400.000 Schützen in den sechs Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster, Paderborn und Trier. Das Schützenwesen ist von der deutschen Unesco-Kommission als immaterielles Kulturerbe anerkannt. „Ich gehe davon aus, daß das ausgeht wie das Hornberger Schießen.“
„Wir Schützen sind das Rückgrat der Gesellschaft“
Und Nieborg hat zwei gute Gründe, davon auszugehen. Erstens: ein Schreiben des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2016. Das ging per E-Mail an die Oberfinanzdirektion NRW mit der Bitte um umgehende Information der Finanzämter. Unter dem Betreff „Gemeinnützigkeit; Steuerbegünstigung von Schützenvereinen, die nur Männer als Mitglieder haben“ ist unter anderem zu lesen, daß an der Auffassung, Schützenvereine und ähnliche Traditionsvereine, wenn sie satzungsgemäß nur Männer als Mitglieder haben, nicht weiter als gemeinnützig zu behandeln, nicht weiter festzuhalten ist. „Es gibt daher derzeit keine Veranlassung, die formellen Anforderungen der Satzungen von Schützenvereinen und anderen Traditionsvereinen im Hinblick auf die Beschränkung des Mitgliederkreises zu prüfen“, so das Ministerium damals.
Und zweitens macht Nieborg eine einfache Rechnung auf. „Es geht hier schließlich auch um die soziale Kompetenz der Schützen. In den letzten fünf Jahren haben wir mehr als 12,5 Millionen Euro an Spenden eingenommen. Dazu 872.000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet. Setze ich pro Stunde zehn Euro an, sind das rund 8,2 Millionen Euro. Macht über zwanzig Millionen Euro. 49 Prozent unserer Spenden gehen in das soziale Umfeld vor Ort. Jeweils 15 Prozent an kirchliche Projekte und an Kinder in Not oder die Tafeln. 13 Prozent gehen an Patenschaftsprojekte im Ausland, zum Beispiel Brunnenbauprojekte, und acht Prozent unserer Spenden gehen an die Hospize.“ Summa summarum faßt Nieborg zusammen: „Wir Schützen sind das Rückgrat der Gesellschaft.“
Gelassen sieht das Urteil der Deutsche Chorverband e. V. Er ist der Dachverband der Fach- und Landesverbände mit 20.000 Chören. Dies liegt wohl daran, daß Chöre zwar exklusiv auf der Bühne reine Knaben-, Männer- oder Frauenchöre sein mögen, was schon darin begründet liegt, daß es Werke gibt, die ausschließlich nur für Frauen- oder Männerstimmen geschrieben worden sind. Die Vereine, die diese Chöre tragen, schließen per se allerdings kein Mitglied, sei es als Vereins-, Ehren- oder Fördermitglied, aufgrund seines Geschlechts aus. Auch die Bezeichnung „Männergesangsverein“ mag eher der Tradition und der Geschichte des jeweiligen Vereins geschuldet sein.
Auch der – gemeinnützige – Landfrauenverband mit 500.000 Frauen nimmt es locker. „Zu dem Thema haben wir nichts zu sagen“, so Pressesprecherin Astrid Falter. „Aus dem einfachen Grund, weil Urlaubszeit ist und wir es noch nicht im Präsidium thematisiert haben. Wir warten ab, was es für weitere Kreise zieht.“
„Diese Diskussion ist doch ein alter Hut“, erklärt der Münchner Steuerberater Hans Schollmeyer die Situation bei den Studentenverbindungen: Man müsse grundsätzlich zwischen den Altherrenverbänden und den Wohnheimvereinen unterscheiden. „Teilweise haben sie gelegentlich identische Mitglieder, aber nur die Wohnheimvereine sind, sofern die Voraussetzungen nach der Abgabenordnung erfüllt sind, gemeinnützig.“ Es gebe auch Wohnheimvereine, die auf die steuerliche Anerkennung als gemeinnützig verzichten und trotzdem satzungsgemäß gemeinnützige Ziele verfolgten: „Die Vereine, die allerdings die Gemeinnützigkeit anstreben, müssen grundsätzlich nach der Satzung und den tatsächlichen Verhältnissen auch für Frauen geöffnet sein, nur so kann das Finanzamt sie als gemeinnützig anerkennen“, unterstreicht Schollmeyer. Das Wort „Frauen“ brauche nicht ausdrücklich erwähnt zu werden, sofern der Zugang der Allgemeinheit möglich ist.
Den Bundesverband deutscher Vereine und Verbände e.V. (BDVV) hat das Freimaurer-Urteil nicht überrascht, sagt sein Vorstand René Hissler. „Der BDVV als Verband empfiehlt, die Mitgliedschaft und die damit verbundenen Rechte zu unterteilen.“ Für Freimaurer und alle reinen Männervereine böte sich die folgende Lösung an: „Frauen werden als Fördermitglieder ohne Stimmrecht und ohne passives Wahlrecht geführt. Bei reinen Frauenvereinen werden Männer als Fördermitglieder mit eingeschränkten Rechten aufgenommen.“ Hissler rät allen Vorständen, ihre Satzungen zu prüfen.