Frankreich kommt nicht zur Ruhe. Allein im August fanden bereits zwei Anschläge mit mutmaßlichem oder erwiesenem islamistischen Hintergrund statt. Dabei kommen nun immer öfter Sicherheitskräfte in den Fokus der Attentäter. Anfang des Monats war ein Messer-Attentäter unter „Allahu akbar“-Rufen auf das Wachpersonal des Eiffelturms losgegangen. Wenige Tage später fuhr im Pariser Vorort Levallois-Perret ein 36jähriger Algerier vorsätzlich in eine Gruppe Soldaten der „Opération Sentinelle“ (Operation Wache), die seit dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar 2015 öffentliche Einrichtungen beschützen. Sechs Soldaten wurden dabei verletzt, drei von ihnen schwer.
Belastungen setzen Soldaten zu
Der Attentäter Hamou B. entkam zunächst und konnte erst Stunden später auf der Autobahn A16 in der Nähe von Calais gestellt werden. Dabei wurde auch er durch mehrere Schüsse schwer verletzt und mußte per Hubschrauber in ein Pariser Krankenhaus gebracht werden, wo er bis auf weiteres nicht vernehmungsfähig ist.
Diese Vorfälle unterstreichen einmal mehr die Verletzlichkeit Frankreichs, das seit nunmehr zweieinhalb Jahren sein Militär dazu einsetzt, die öffentliche Ordnung sicherzustellen und das seit bald zwei Jahren im Ausnahmezustand lebt. Während in der Anfangszeit Solidaritätsbekundungen aus der Bevölkerung gang und gäbe waren, wird dieser Militäreinsatz teilweise auch als Provokation empfunden. Schließlich ist es in Frankreich inzwischen nichts Ungewöhnliches, wenn an einem Sonntag Sicherheitskräfte zu zehnt in Flecktarn und mit vorgehaltenen Sturmgewehren durch einen Badeort patrouillieren.
Die Behörden identifizierten insgesamt 830 „sensible Orte“. Zeitweilig wurden zu deren Schutz bis zu 13.000 – aktuell noch 10.000 – Soldaten im Zuge der „Opération Sentinelle“ abgestellt. Hinzu kommen 4.700 Polizisten und Mitglieder der Gendarmerie.
Unabhängig von den auch in Frankreich bestehenden Bedenken, Militär für die innere Sicherheit einzusetzen, ist dies für die eingesetzten Soldaten auch eine immense persönliche Belastung. Nicht selten sind sie heimatfern eingesetzt und miserabel untergebracht. So kamen die in Levallois-Perret angegriffenen Soldaten des 35. Infanterieregmients aus dem 500 Kilometer entfernten Belfort. Für ihren Sondereinsatz erhalten sie gerade einmal fünf Euro pro Tag Zusatzprämie.
Hinzu kommt die permanente nervliche Anspannung, da zum Beispiel ein völlig harmloses, wartendes Auto mit arabisch aussehendem Fahrer schnell als potentieller Angreifer wahrgenommen wird. Jeder ist sich bewußt, daß er gegen diesen „Low-Cost-Terrorismus“, wie ihn François-Bernard Huyghe, Terror-Experte am Institut für Strategie und Internationale Beziehungen bezeichnete, quasi machtlos ist.
Da tragen auch Solidaritätsbekundungen der Politik und Krankenhausbesuche, wie die des Innenministers Gérard Collomb und der Verteidigungsministerin Florence Parly bei den Verletzten des Anschlags von Levallois-Perret, wenig zur Hebung der Moral bei.
Macron erlitt mit Militärsparplan Schiffbruch
Hinzu kommt, daß auch die reguläre Militärausbildung der kaum über 200.000 Mann starken französischen Streitkräfte unter dem Einsatz leidet. Immerhin ist inzwischen die von Präsident Emmanuel Macron geplante und in diesem Kontext widersinnige Senkung des Verteidigungsbudgets um 850 Millionen Euro vom Tisch.
Unter dem Eindruck des aus Protest erfolgten Rücktritts des französischen Generalstabschefs Pierre de Villiers soll der Rüstungsetat für nächstes Jahr sogar um 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. Aus Sicht von Oppositionspolitikerin Marine Le Pen vom Front National ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend: Sie forderte als Konsequenz aus dem Anschlag von Levallois-Perret die Rückkehr zur dauerhaften Grenzkontrolle und die Ausweisung von Gefährdern ausländischer Nationalität. Zwei Maßnahmen, die bei dem bisher juristisch unauffälligen und in Frankreich geborenen Attentäter Hamou B. gleichwohl beide ins Leere gelaufen wären.