© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Moskau schafft Fakten
Krim: Die Brücke zur Verbindung der Halbinsel mit dem russischen Festland soll im Herbst fertig sein
Paul Leonhard

Der russische Kosmonaut Oleg Wiktorowitsch Nowiszki weiß, was sich gehört. An Bord der Internationalen Raumstation ISS fotografierte er die im Bau befindliche Brücke von Kertsch und präsentierte die Aufnahme auf seinem Instagram-Profil. „Der Maßstab des Jahrhundertbauwerks beeindruckt einen selbst im Weltall“, lobt der Weltraumfahrer das Können russischer Ingenieure, die hier die mit 19 Kilometern längste Brücke des Landes bauen. Sie führt von der Schwarzmeerhalbinsel Krim über die Straße von Kertsch zur Halbinsel Taman in der russischen Region Krasnodar.

Luftaufnahmen im Internet zeigen ein schmales Betonband im blauen Wasser des Asowschen Meeres. Herangezoomt sind große Kräne und Lastwagen zu sehen. Eine Videoanimation präsentiert das gigantische Bauwerk im fertigen Zustand. Zu sehen sind zwei parallel verlaufende Brücken, eine mit separaten Auto- und Lkw-Spuren für den Fahrzeug- und eine für den Eisenbahnverkehr. Jährlich sollen zehn Millionen Menschen und 40.000 Autos ab 2019 auf diesem Weg die Meerenge passieren.

Die Brücke soll hoch genug sein, daß große Schiffe und Bohrplattformen sie passieren lönnen. Von einem der „schwierigsten Bauprojekte der russischen Geschichte“ spricht die Iswestija. Durch den Rußland-Ukraine-Konflikt ist das ehrgeizige Vorhaben auch ein Politikum ersten Ranges. „Strategisch wichtig: Mit dieser Mega-Brücke holt Putin die Krim heim“, titelte die deutschsprachige russische Nachrichtenagentur Sputnik.
Schon die alten Griechen träumten von einer Verbindung, mit der sie die Meerenge von Kertsch trockenen Fußes queren könnten. Der Schiffsbauingenieur Wassily Mendelejew, Sohn des berühmten Naturwissenschaftlers Dimiti Mendelejew, plante Anfang des 20. Jahrhunderts einen Damm zu errichten, die Briten tüftelten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an Plänen für eine Eisenbahnbrücke, die von der Krim bis nach Indien führen sollte.

Am weitesten kamen bisher die Deutschen der Verwirklichung dieses Traumes. Die Organisation Todt baute ab Mai 1943 an einer kombinierten Eisenbahn- und Straßenbrücke zur Versorgung der Truppen im Kuban-Brückenkopf, deren fertiggestellte Teile im Herbst 1943 wieder gesprengt wurden. Aus den Überresten und erbeutetem Baumaterial errichteten die Russen eine Eisenbahnbrücke, die Anfang Februar 1945 durch Treibeis stark beschädigt und abgerissen wurde.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion verhandelten Rußland und die Ukraine seit 1993 über den Brückenbau. Im März 2014 beauftragte schließlich Rußlands Ministerpräsident Medwedew die staatliche Straßenbauagentur Avtodor mit der Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie. Der Bau startete aber erst, als Präsident Wladimir Putin das Vorhaben zur Chefsache erklärte und seinen Freund, den Milliardär Arkadi Rotenberg, mit der Realisierung einer vierspurigen Autobahn und einer zweigleisigen Eisenbahnbrücke für 228 Milliarden Rubel (4,2 Milliarden Dollar) beauftragte. Dessen Unternehmen Stroi Gas Montash, bisher für die Verlegung von Pipelines für Gazprom tätig und im September 2016 prompt von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt, soll bis Herbst Vollzug melden.