© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Das Tauziehen zwischen dem Euro und dem US-Dollar
Kein Grund für Europhorie

Seit seinem Tiefpunkt von unter 1,04 gegenüber dem Dollar am 20. Dezember 2016 ist der Euro mittlerweile auf über 1,18 Dollar gestiegen. Dafür lassen sich ad hoc einige Gründe finden. Beispielsweise hat sich die Konjunkturlage im Euroraum in den letzten Quartalen verbessert. Dadurch hat die Angst vor Kreditausfällen oder gar einem Zusammenbruch des Euros abgenommen. Zudem scheinen Investoren ihr Vertrauen in den Wirtschaftskurs der Amerikaner verloren zu haben.

Hat der Euro jetzt zu einem dauerhaften Höhenflug angesetzt? Diese Frage läßt sich nur beantworten, wenn man den „fairen Wert“ des Euro-Dollar-Kurses kennt. Letzterer läßt sich nur unter großer Unsicherheit beziffern. Meine persönliche Schätzung deutet derzeit auf eine Bandbreite zwischen 1,07 und 1,16.

Der weitere Kursverlauf hängt aber von vielen Faktoren ab. Dazu gehören beispielsweise das Zinsdifferential zwischen Euro- und Dollar-Anlagen, die Inflationsunterschiede und auch die Renditen, die sich mit Aktien dies- und jenseits des Atlantiks erzielen lassen. Doch nicht nur die Wirtschaftsentwicklung wird den Euro-Außenwert bestimmen, sondern vor allem auch die politische. Letztere deutet auf ein beträchtliches Abwertungspotential hin: Entweder fällt der Euroraum in seiner jetzigen Zusammensetzung auseinander; oder er wird mit einer gewaltigen Geldschwemme von der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammengehalten.

Denn nicht nur die Staatsschulden in vielen Euroraum-Ländern sind aus dem Ruder geraten. Es ist vor allem auch die gewaltige Bilanzsumme der Banken, die sich vermutlich noch als wahrer Mühlstein für den Euro-Außenwert erweisen wird: Sie beläuft sich auf mehr als 31 Billionen Euro oder mehr als 300 Prozent des Euro-Bruttoinlandsproduktes (BIP) – in den USA belaufen sich die Bankbilanzen hingegen nur auf 16 Billionen Dollar oder 84 Prozent des BIP. Die EZB wird noch viel neues Geld in Umlauf bringen müssen, um strauchelnde Euro-Banken vor Zahlungsausfällen zu bewahren. Die damit verbundene Umverteilung von Einkommen und Vermögen zwischen den Euro-Nationen wird gewaltig sein – und birgt erheblichen Sprengstoff. Dies setzt Zentrifugalkräfte in Bewegung, die wie ein Damoklesschwert über dem Euro-Projekt hängen.

Selbst wenn der Euro kurzfristig weiter aufwerten mag, so gibt es keinen Grund für eine „Europhorie“. Denn – und das zeigt das Finanzmarktgeschehen immer wieder – Bäume wachsen nun einmal nicht in den Himmel, und früher oder später muß sich Optimismus und Überschwang an der Realität fundamentaler Daten messen. Es gibt gute Gründe, warum der Euro – ausgehend vom aktuellen Niveau – langfristig gesehen gegenüber dem Dollar ab- und nicht aufwerten sollte.



Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Präsident des Ludwig von Mises-Instituts Deutschland. www.misesde.org