© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

„Buy European“ bleibt ein Wunschtraum
Wehrtechnik: Amerikanische Rüstungskonzerne sind in Europa erfolgreich / Auch in Deutschland dürfen sie auf lukrative Aufträge hoffen
Hans Brandlberger

In den letzten beiden Sitzungswochen des Bundestages vor der parlamentarischen Sommerpause löste sich der Beschaffungsstau der Bundeswehr in einem Umfang auf, den selbst wehrtechnische Optimisten kaum für möglich gehalten hatten. Mehr als 25 sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlagen mit einem Gesamtvolumen von etwa zwölf Milliarden Euro fanden die Zustimmung der Mitglieder des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses.

Auf der Strecke blieb jedoch ein Vorhaben, auf das die Luftwaffe gehofft hatte. Eine bewaffnungsfähige Drohne, die in mittlerer Höhe (5.000 bis 15.000 Meter) fliegt und die mehr als 24 Stunden im Einsatz bleiben kann, läßt weiter auf sich warten. Der Konsens der Koalitionspolitiker, was „bewaffnungsfähig“ heißt, erwies sich als fragil. Die Union sah es als selbstverständlich an, daß zu einer Zertifizierung dieser Fähigkeit und zur Ausbildung des Bodenpersonals auch Lenkflugkörper für Testschüsse beschafft werden müßten. Für die SPD war damit jedoch die rote Linie von der Bewaffnungsfähigkeit zur Bewaffnung überschritten. Die Bürde, hierzu die Zustimmung erteilt zu haben, wollten sich idie Sozialdemokarten im Wahlkampf nicht zumuten.

Israelische Drohne siegt über kalifonisches Modell

Auf des Messers Schneide stand dieses Vorhaben zuvor aber bereits aus einem anderen Grund. Die Bundeswehr hatte sich für das Modell Heron TP des israelischen Herstellers IAI entschieden, der zur Erfüllung spezifisch deutscher Kundenwünsche eine Partnerschaft mit Airbus eingegangen war. Dadurch sah sich der kalifornische Wettbewerber General Atomics (GA) benachteiligt. In der Vergabe seien die Argumente, die für sein Modell Predator B/Guardian Eagle sprächen, nicht gewürdigt worden.

Diese Kampfdrohne sei nämlich nicht nur erprobt und bei zahlreichen Nato-Verbündeten im Einsatz, sondern auch wesentlich kostengünstiger zu haben. Eine Klage vor der Vergabekammer des Oberlandesgerichts Düsseldorf blieb jedoch erfolglos. Auch der Nachprüfungsantrag, mit dem das Urteil angefochten wurde, scheiterte. Ob der GA-Konzern, der über eine Dresdener Tochterfirma natürlich auch Wertschöpfung in Deutschland anbot, nun, wie von seinem Rechtsbeistand angedroht, vor das Bundesverfassungsgericht zieht, steht in den Sternen. Das Vorhaben dürfte bis weit in das nächste Jahr hinein sowieso erst einmal ruhen.
Aus der Sicht der Bundeswehr bietet die offiziell „German Heron TP“ genannte Kampfdrohne Fähigkeiten, die das amerikanische Konkurrenzmodell zumindest derzeit nicht garantieren kann. Allerdings ist es keine böswillige Unterstellung, hinter der Entscheidung auch ein industriepolitisches Motiv zu sehen. Deutschland will sich an der Entwicklung einer europäischen Drohne dieser Klasse beteiligen, die ab Mitte der 2020er Jahre zur Verfügung stehen soll. Dies ist durch die jüngste deutsch-französische Erklärung zur Zusammenarbeit auf den Gebieten Verteidigung und Rüstung nochmals unterstrichen worden. Auf industrieller Seite wird das europäische Gemeinschaftsunternehmen Airbus bei diesem Vorhaben eine maßgebliche Rolle spielen. Die Mitwirkung bei der Übergangslösung Heron TP soll daher sozusagen der technologischen Ertüchtigung dienen.

Briten und Osteuropäer mit Affinität zu US-Produkten

Der Wunsch von EU-Verteidigungspolitikern, in der Rüstung von den USA (und auch Anbietern aus anderen Weltregionen) unabhängig zu sein, beschränkt sich nicht auf das Gebiet Unbemannter Systeme, das immer wichtiger wird. Auch wurde er nicht etwa durch den Amtsantritt Donald Trumps wachgerufen, sondern hat vielmehr eine lange Tradition. Die Motoren dieser Rüstungspolitik sind allerdings nicht „die“ Europäer. Im Zentrum stehen die Franzosen und die Deutschen, manchmal gelingt es ihnen dabei, weitere Staaten wie etwa Italien oder Spanien ins Schlepptau zu nehmen.

Die anderen EU-Mitglieder sind entweder indifferent oder weisen sogar (wie etwa Polen) eine Affinität zu amerikanischen Produkten auf. Großbritannien sieht sich in der Beschaffung von Rüstungsgütern de facto in einem Binnenmarkt mit den USA. Der Schulterschluß mit Washington bei gleichzeitiger Abneigung gegen eine übermäßige Kohäsion mit den Staaten Kontinentaleuropas war schon eng, als noch niemand von einem möglichen Brexit sprach.

Allerdings gibt es auch Technologiefelder, bei denen die Europäer schlichtweg passen müssen. Das System „zur signalerfassenden luftgestützten weiträumigen Überwachung und Aufklärung“, eine Drohne, die auch in über 18.300 Meter Höhe operieren kann, wird in den USA bestellt. Anfang März entschied sich der Generalinspekteur der Bundeswehr für das Drohnenmodell MQ-4C „Triton“ des Konzerns Northrop Grumman, der sein Hauptquartier nur 16 Kilometer entfernt vom Pentagon hat.

Auch den Wunsch der Bundeswehr, ihr zeitnah schwere Transporthubschrauber zu liefern, die die in die Jahre gekommene CH-53-Flotte ablösen, werden nur US-Anbieter erfüllen können. Für den Wettbewerb haben sich Lockheed Martin mit seiner vor einigen Jahren übernommenen Tochter Sikorsky und Boeing in Stellung gebracht. Als die Pläne im Frühjahr 2016 publik wurden, sah es zunächst danach aus, als müßte die Entscheidung nahezu zwangsläufig auf den „Chinook“ (H-47F) von Boeing hinauslaufen, der zwar konzeptionell schon etwas angejahrt ist, aber von zahlreichen Streitkräften erfolgreich betrieben wird und günstige Anschaffungskosten versprach.

Unterdessen scheint jedoch Sikorsky mit seinem neuen Modell CH-53K mehr und mehr zu punkten, da weitere Qualifizierungen durch die US-Streitkräfte nachgewiesen werden können und auch der Preisunterschied abgeschmolzen sein soll. Die EU-Industrie, allen voran die früher unter „Eurocopter“ firmierende Helikopter-Sparte von Airbus, hat hier die Entwicklung verschlafen oder nach zahlreichen Fehlschlägen in Militärprojekten vielleicht auch einfach den Mut verloren. Nun, da es auf einen US-Lieferanten hinausläuft, will sie die Politik dafür sensibilisieren, wenigstens als Zulieferer und auf den Gebieten Wartung und Ausbildung mit ins Boot geholt zu werden. Boeing und Sikorsky sind als Exporteure jedoch erfahren genug, um zu wissen, daß derartige Lösungen, auch wenn sie zu Lasten des eigenen Ertrages gehen, nicht zu umgehen sind, wenn man in einem hochpolitischen Geschäft wie der Rüstung zum Zuge kommen will.

US-Streitkräfte setzen auf ihre heimische Industrie

Auf anderen Gebieten wie etwa dem militärischen Lufttransport plant Deutschland, sechs C-130J „Hercules“ von Lockheed Martin zu beschaffen und gemeinsam mit Frankreich zu betreiben. Auch bei den Überlegungen, welches System an die Stelle des Kampfflugzeuges „Tornado“ treten könnte, machen die Beschaffer der Bundeswehr (zumindest derzeit) keinen Bogen um US-Anbieter.

Auf Gegenseitigkeit beruht dieses Vorgehen jedoch nicht. EU-Systemanbieter haben in den USA so gut wie keine Chance. Erfolgreich sind lediglich Zulieferer, die in Nischentechnologien ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen. „Buy American“ ist eine Philosophie, der die US-Streitkräfte traditionell verschrieben sind – mit oder ohne Stichwortgeber Donald Trump. Lockheed Martin hat seine Zentrale passend dazu in Bethesda (Maryland) angesiedelt, nur 30 Kilometer vom Pentagon entfernt.



General Atomics (GA): www.ga.com/defense
Israel Aerospace Industries (IAI): www.iai.co.il
Northrop Grumman Corporation: www.northropgrumman.com/News