In den Nachrichten des Deutschlandfunks verstehe ich immer wieder „Cutter-Krise“, daß ich mich frage: Wer macht jetzt den besten Schnitt? Das fragen sich auch die zahllosen Flohmarkthändler am Mauerpark zwischen Prenzlauer Berg und Wedding, wo Berlin als geschäftige Weltstadt zu erleben ist. Zugleich erscheint dieser Ort, zumal am 13. August, als Brachland der Geschichte – einerseits in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte Berliner Mauer, andererseits außerhalb der Gegenwart, die diese Fläche „bald“ (also mit einem Vierteljahrhundert Verspätung) bebauen wird. Zu den unverkäuflichen Buchtiteln an diesem Sonntag gehört einer mit der Frage, wie der Klimawandel zu stoppen sei. Dieser Ladenhüter sorgt bei mir für frohes Gemüt, während der Verkäufer selbstkritisch einräumt, man könne gar nicht so viele E-Autos produzieren, um das Klima zu retten.
Dabei bestünde die einzige Rettungsmaßnahme lediglich in der Vorhaltung einer ausreichenden Toilettenzahl. Wenn das weibliche Geschlecht wirklich benachteiligt wird, dann an diesem Ort. Allerdings scheint die Notdurft nicht so groß, als daß der rot-grüne Berliner Senat hier wie schon andernorts für Unisex-Toiletten gesorgt hätte.
Ganz anders dagegen die so selbstbewußte wie provokante Schau von Andreas Schmitten, aktueller Träger des Falkenrot-Preises, im Künstlerhaus Bethanien (www.bethanien.de/exhibitions/falkenrot-preis-2017/ ), die noch bis zum 17. September gezeigt wird (Dienstag bis Sonntag, 14 bis 19 Uhr). Im Gegensatz zum politisch-korrekten Kunstbetrieb mit seinen zumeist verhuschten, gebrochenen Skulpturen zeugen die gigantischen Schöpfungen Schmittens von einer außergewöhnlichen Schaffenskraft, nicht zuletzt durch die glatte Oberflächenstruktur seiner sämtlichen skulpturalen Arbeiten und die daraus gespeiste unterschwellige Verunsicherung. Sind doch die Plastiken Schmittens nur schwer im eigenen Bilderkanon zu verorten. Aus popkultureller Warte am beeindruckendsten wirkt da die ebenso monumentale wie faszinierende Arbeit „Requisit in Weiß und Rot“ (2012), die zunächst an einen Beichtstuhl, in der Reihung jedoch an das Chorgestühl einer katholischen Kirche erinnert. Dabei erweist die Arbeit zugleich eine Reverenz an das erste Readymade von Marcel Duchamp im Jahr 1917, das als „Fountain“ ausgestellte Pissoir, welches in Schmittens Plastik an die Bügel von Looping-Vorrichtungen in Achterbahnen denken läßt – und damit auf reflexive Art einen perfekten Salto mortale demonstriert.