© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Unbedingte Vielfalt, außer bei Meinungen
„Diversity“: Die Entlassung eines Mitarbeiters zeigt die ideologische Eindimensionalität Googles
Lukas Mihr

Vergangene Woche sorgte die Entlassung des Software-Entwicklers James Damore durch seinen Arbeitgeber Google für Schlagzeilen. In einem firmeninternen Schreiben hatte er die Gleichstellungspolitik des milliardenschweren Internetunternehmens kritisiert. Unter Verweis auf biologische Studien hatte Damore zu erklären versucht, warum der Frauenanteil in den Technologie-Unternehmen des Silicon Valley trotz gezielter Fördermaßnahmen auf niedrigem Niveau verharrt.

Die Berichterstattung über den Fall illustriert, wie sehr sich die Meinungsvielfalt in der deutschen Medienlandschaft mittlerweile verengt hat. Die ersten Berichte über die Entlassung glichen sich auffällig. Fast alle enthielten den nebensächlichen Umstand, daß Google-Chef Sundar Pichai extra seinen Urlaub unterbrach, um sich zur Angelegenheit zu äußern. Zudem kam kaum ein Artikel ohne wertende Aussagen aus: Damores Äußerungen seien „sexistisch“ und „frauenfeindlich“. Als neutralere Formulierung hätte sich „feminismuskritisch“ angeboten.

Wissenschaftlichen Hintergrund verschwiegen

Damores wissenschaftlicher Hintergrund – unter anderem verfügt er über Abschlüsse in Physik, Chemie sowie Biologie und war wissenschaftlicher Mitarbeiter in Harvard und Princeton – blieb genauso unerwähnt wie seine Verweise auf entsprechende Fachliteratur. Dadurch erweckten die Medien den Eindruck, bei Damores Argumenten handle es sich auschließlich um dessen Privatmeinung.

Lieber attackierten mehrere deutsche Journalisten den Software-Experten persönlich. So schrieb Spiegel Online: „Ein Job als Entwickler bei Google ist nicht gleichzusetzen mit einem hohen Intelligenzquotienten.“ Die Süddeutsche Zeitung stempelte Damores Ausführungen kurzerhand als „rückständig, dumm und falsch“ ab. Und Spiegel-Autorin Angela Gruber bezeichnete das Papier als „pseudowissenschaftlich“ und „pseudointellektuell“, um gleich darauf die Debatte um eine weitere vermeintlich diskriminierte Personengruppe zu erweitern: denn auch Schwarze seien in den Internetfirmen unterrepräsentiert.

Für Sylvia Kegel vom feministischen Ingenieurinnenbund steht fest: „Es sind Sexisten und Rassisten, die ihre Unverschämtheiten, Beleidigungen, ihre Hetze und ihr Mobbing, ihre Aufrufe zu Ausgrenzung und Gewalt als ‘Meinung’ verkaufen wollen. Das ist keine Meinung – das ist Gewalt gegen andere und im Zweifelsfall auch eine Straftat.“

Immerhin waren in der FAZ andere Stimmen zu vernehmen. Auch wenn Michael Hanfeld über Damore schrieb, dieser habe „küchenpsychologisch fabuliert“, beklagte er, daß gegen diesen ein „Hexensabbat“ betrieben werde, um ihn persönlich zu diskreditieren. Die „Skandalisierungsmaschine“ laufe auf „vollen Touren“.

Tatsächlich stellt sich der Inhalt von Damores Schreiben weniger skandalös dar, als die Medienberichte es vorgeben. Seine Äußerungen fassen den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen, wie sich unter anderem Susan Pinkers „Das Geschlechter-Paradox“ entnehmen läßt. Keiner der kritischen Artikel konnte auch nur einen einzigen sachlichen Fehler benennen.

Pauschalurteile finden sich in Damores Text ohnehin nicht. Er behauptet an keiner Stelle, daß Frauen generell nicht für die Arbeit in einem IT-Unternehmen geeignet seien, sondern nur, daß Männer eher eine Technikaffinität aufweisen. Die Möglichkeit eines unfähigen Mannes oder einer fähigen Frau schließt er keinesfalls aus – dennoch sei die Mehrheit der Softwareentwickler eben männlich.

Anlaß sein Schreiben zu verfassen, sei ein firmeninternes Training für Vielfalt („Diversity“) gewesen. Dort habe Damore eine „Echokammer“ bemerkt, in der nur vorgefaßte Meinungen bestätigt würden, in dem aber neue Gedanken unerwünscht seien. Er stößt sich vor allem an dem Gedanken, Personen nur wegen ihres Geschlechts oder der Ethnie einzustellen. Täte man dies, nur um eine Quote zu erfüllen, würde man mehr ungeeignete Personen einstellen. Das hieße aber nicht, daß er generell ein Problem mit Frauen bei Google oder anderen Unternehmen habe – auch wenn Spiegel und Co. dies suggerierten.

 Tatsächlich hatte Damore sogar gefordert, Google müsse das Arbeitsumfeld teamfreundlicher gestalten und mehr auf die Anforderungen von Frauen zuschneiden, um den Frauenanteil im Technik-Bereich und in Führungspositionen zu steigern. Auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Ausweitung der Teilzeitarbeit sowie gezielte Programme zum Streßabbau könnten den Frauenanteil steigern.

Mehrfach stellte Damore in seinem Schreiben klar, daß natürlich immer noch ein Sexismus existiere, der Frauen am beruflichen Aufstieg behindere. Er forderte eine Balance zwischen linken und rechten Meinungen, weil jede Denk­richtung ihre Vor- und Nachteile habe und sie sich gegenseitig ausgleichen. Für Damore, der sich seit seiner Entlassung auf Twitter mit einem T-Shirt präsentiert, das Googles Firmenlogo zu „Goolag“ abwandelt, ist der Internetriese stärker links einzuordnen, solle sich aber auch rechten Gegengewichten öffnen, um nicht zu einseitig aufgestellt zu sein.

Der Evolutionspsychologe Geoffrey Miller stellte übrigens indessen unter Beweis, daß der Google-Algorithmus selbst sexistisch ist. Wer nach Tips zum Programmieren sucht, wird vom System eher für einen Mann gehalten – und bekommt entsprechend Werbeanzeigen für Männermagazine und Potenzmittel präsentiert.

Gefeuert: Damore im Interview mit Bloomberg Technology