Bong, bong, bong. Der Trommler steigert das Tempo. Endspurt. 20 Paddel tauchen unter maximalem Krafteinsatz synchron ins Wasser. Die Boote scheinen fast über das Wasser zu schießen. Die Mannschaft erhöht noch einmal die Schlagzahl. Auch der Steuermann am Heck, der scheinbar lässig mit einem Langruder steuert, feuert jetzt lautstark die Mannschaft an. Vom Ufer her jubelt das Publikum seinen Favoriten zu.
Drachenbootrennen sind in Deutschland seit den 1990er Jahren populär und genießen zunehmend Volksfestcharakter. Bis zu 100.000 Besucher werden mitunter gezählt. Große Drachenbootregatten gibt es beispielsweise in Düsseldorf, Essen, Hannover, Frankfurt am Main, Schwerin, Berlin und Duisburg, wo es 1987 im Rahmenprogramm der Kanu-Weltmeisterschaften das erste Drachenbootrennen in Deutschland gab. Bereits drei Jahre später gab es ausreichend Interessierte, um den Deutschen Drachenbootverband (DDV) in Hamburg zu gründen. Die erste Deutsche Drachenboot-Meisterschaft fand wiederum in einer Stadt an der Elbe statt: 1991 in Dresden.
Frequenz von 70 bis 80 Schlägen pro Minute
Die Geschichte dieser Sportart führt weit in die Vergangenheit Chinas zurück. Dort pflegt der Volksstamm der Wuyue die Tradition, am fünften Tag des fünften Monats im chinesischen Mondkalender mit Booten einem im Fluß lebenden Drachen Opfer zu bringen. Nach einer anderen Legende nutzte König Gou Jian Drachenboote, um den Staat Chu wiederzuerrichten. Wer heute die mit einer Schlagfrequenz zwischen 70 und 80 Schlägen pro Minute fahrenden Boote mit ihren in Doppelreihen sitzenden Paddlern sieht, kann sich vorstellen, wie der Gegner damals beim Anblick der mit Drachenköpfen und -schwänzen verzierten Boote tatsächlich glaubte, die Soldaten würden auf Drachen durchs Wasser reiten.
Die neuzeitliche Geschichte beginnt in den 1970er Jahren, als der Fremdenverkehrsverband von Hongkong beschloß, mit einem Drachenboot-Festival für die Stadt zu werben. 1976 fand dieses mit zehn Mannschaften statt. Inzwischen ist Drachenbootfahren ein internationaler Wettkampfsport mit Weltmeisterschaften, der in mehr als 40 Ländern betrieben wird.
Wenn die Sportler mit ihren glasfaserverstärkten zweischaligen Wasserfahrzeugen – nach Europanorm 12,49 Meter lang, 1,16 Meter breit und 250 Kilo schwer – im Sprint, auf der Kurz-, Mittel- oder Langstrecke (bis 10.000 Meter) gegeneinander antreten, haben diese wenig mit den ursprünglichen mit bis zu 100 Paddlern besetzten Drachenbooten aus Teakholz gemeinsam. Ein genormtes Boot hat zehn Sitzbänke mit maximal 20 Paddlern.
Wenig hat sich dagegen an der Technik geändert. „Wenn man das Paddel ins Wasser eintaucht, darf man nicht gerade sitzenbleiben, sondern muß den Oberkörper und damit auch die Schulter möglichst weit nach vorn beugen“, erläutert Philipp Giertz vom Schweriner Drachenbootverein „Blues Brothers“: Zug- und Druckarm bleiben dabei möglichst gestreckt. „Der Paddler zieht die Kraft eher aus dem Schulterbereich, weil diese Muskelgruppen wesentlich größer sind.“ Die Kurzformel lautet: Schnelles Eintauchen, kräftiger Anriß. Das Paddel wird senkrecht durchs Wasser gezogen.
Wer den Drachenbootsport ernsthaft betreibt, trainiert das ganze Jahr hindurch. In der kalten Jahreszeit ist Krafttraining angesagt, ab März geht es auf die Flüsse und Seen. Längst bieten Vereine buchbare Drachenboot-Trainingseinheiten an. Die wichtigste Zielgruppe sind Unternehmen. Denn der Mannschaftssport, bei dem 20 Personen gemeinsam das gleiche Ziel vor Augen haben und es darauf ankommt, Energie technisch sauber auf das Paddel zu übertragen, gilt als „Team-Building-Maßnahme“. In Leipzig kosten fünf Trainingseinheiten à 90 Minuten 490 Euro.
Zunehmend Unternehmen buchen Trainingseinheiten
Längst ausgebucht ist trotz 400-Euro-Startgebühr der Leipziger Firmen-Drachenboot-Cup, der am 26. August im Elsterflutbecken stattfindet. Preiswerter ist mit 242 Euro das Drachenbootrennen am gleichen Tag auf dem Wasser der Talsperre Malter nahe Dresden. Hier gibt es Wettkämpfe für sportlich orientierte und reine „Fun-Teams“. Am selben Wochenende findet das 25. Schweriner NDR-Drachenbootfestival auf dem Pfaffenteich statt.
Eine Woche später können Sportler und Zuschauer zwischen dem 17. Ritz-Carlton-Cup in Wolfsburg, dem 13. Bremer Drachenboot-Cup auf dem Werdersee und dem 15. Union-Drachenboot-Fun-Cup in Berlin wählen. Die letzte offizielle Veranstaltung in der diesjährigen Saison ist der Marathon für Drachenboote am 21. Oktober in Berlin-Köpenick.