Die Beträge, über die Kinder frei verfügen können, liegen deutlich unter Hartz-IV-Niveau. Einem Jungen in Alter zwischen 10 und 13 Jahren gelingt es im Durchschnitt gerade einmal, 654 Euro pro Jahr an Taschengeld oder sonstigen Transferleistungen zu akquirieren. Mädchen sind noch weit ärmer dran. Doch auch 654 Euro wollen ausgegeben sein, und zudem gelingt es Kindern dank ihres natürlichen Instinkts für subtile Manipulationsstrategien häufig, Erwachsene zu eigentlich ungewollten Ausgaben zu bewegen. Trotz ihrer Marginalisierung im gesellschaftlichen Alltag bleiben sie daher eine Zielgruppe, auf die sich die Marketinganstrengungen von Unternehmen richten.
Neben den einschlägigen Herstellern von Kariesbeschleunigern und Plastikschrott werben erstaunlicherweise auch Verlage um ihr knappes Budget. Der Erfolg gibt ihnen recht. 72 Prozent der Kinder greifen mehrmals pro Woche zu einer Zeitschrift oder einem Buch. Tablet und Spielkonsole folgen weit abgeschlagen mit 57 Prozent.
Viele Eltern leben in der Wahnvorstellung, Print-medien hätten zwangsläufig etwas mit Bildung zu tun.
Psychologen ringen um eine Erklärung dieses Phänomens. Sie sind sich unschlüssig, ob das Bedürfnis, unbedingt ein Produkt aus Papier in der Hand zu halten, zur natürlichen Entwicklung eines Kindes gehört. Dieses könnte allerdings auch auf der Toilette gestillt werden. Plausibler ist, daß viele Eltern in der Wahnvorstellung leben, Printmedien hätten zwangsläufig etwas mit Bildung zu tun. Anstatt ihren Nachwuchs dazu zu ermuntern, sich über das Internet in die wirkliche Welt des Wissens aufzumachen, lenken sie sein Interesse auf bedrucktes Papier, das unter Namen wie „Disney’s lustiges Taschenbuch“ oder „Wendy“ immer noch frei verkauft werden darf.
Die Zeit, die Kinder mit der Lektüre derartigen Unrats verbringen, werden sie in ihrem Leben nie wieder aufholen. Wo ihre Eltern bloß den Anschluß verpaßt haben, zählen sie von Anfang an zu den Verlierern. Die digitalisierte Gesellschaft wird für sie keine Verwendung haben. Über ein Smartphone könnten sie sich immerhin noch mit anderen Menschen über ihr Schicksal austauschen.