© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/17 / 18. August 2017

Der Flaneur
Technisches Sommerloch
Bernd Rademacher

Das Sommerloch hat zugeschlagen – schon seit Tagen steht das Telefon im „Home-Office“ still. Da ruft der JF-Redakteur an. Aber warum auf dem Handy? Er wählt doch sonst immer den Festnetzanschluß. Ist es so dringend? „Wenn ich Ihre Festnetznummer wähle, meldet sich ein fremder Teilnehmer“, erklärt er. Ach was, der hat sich bestimmt verwählt. Ich mache den Test und rufe mich von meinem Handy aus selbst zu Hause an – es meldet sich ein fremder Teilnehmer!

Die Rufnummer war Teil eines Pakets, das tatsächlich doppelt
vergeben wurde.

Verwirrt sage ich: „Sie haben meine Nummer, wie kann das sein?“ Er: „Nein, Sie haben meine! Ich habe bei der Telekom einen neuen Anschluß beantragt, und die haben mir diese Nummer zugewiesen.“ Das gibt’s doch jetzt gar nicht!

Zum Glück ist der Mann verständigungsbereit, denn er ist schon jetzt entnervt davon, daß auf „seiner“ Nummer pausenlos Leute für mich anrufen. Von wegen Sommerloch! Wir vereinbaren, uns beiderseits bei der Telekom zu beschweren, um die Chance auf zügige Bearbeitung zu erhöhen. Mein erster Versuch geht ziemlich daneben: Nach endloser „Drücken Sie bitte die 1“-Selektion sagt die Computerstimme ungerührt: „Voraussichtliche Wartezeit: 32 Minuten.“ Nicht mit mir! Auf der Telekom-Internetseite entdecke ich im Impressum eine Kölner Festnetznummer. Dort meldet sich tatsächlich direkt eine lebende Person, die auch noch sehr hilfsbereit ist.
Nach über einer halben Stunde am Hörer und vielfachem „Bleiben Sie nochmal einen Moment dran“ des Rätsels Lösung: Meine Rufnummer war Teil eines Paketes, das tatsächlich doppelt vergeben wurde – allerdings von einem Drittanbieter. Die Telekom verspricht, die kuriose Panne zu beheben. Man werde sich bei mir melden – auf meinem Mobiltelefon. Zwei Tage passiert nichts. Dann klingelt plötzlich das Bürotelefon. Ich bin wieder erreichbar. Fast schade – die Ruhe war eigentlich ganz schön.



Zitat

Die Tragik des 20. Jahrhunderts liegt darin, daß es nicht möglich war, die Theorien von Karl Marx zuerst an Mäusen auszuprobieren.

Stanislaw Lem (1921–2006)