© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Grüße aus Paris
Klotzen, nicht kleckern
Albrecht Rothacher

Schwer bepackt fahre ich mit der Metro zum Gare du Nord. In „Strasbourg-St. Denis“, wo die üblen Viertel des Nordostens beginnen, steigen in die volle U-Bahn zwei Schwarze zusätzlich ein. Ein muskelbepackter Hühne drängt sich aggressiv durch. Der zweite Schmächtige setzt sich neben mich. Der tätowierte Zwei-Meter-Mann steht halbrechts vor mir, telefoniert wütend. Nordbahnhof. Ich stehe auf, mit Rucksack, Rollkoffer und Handgepäck, will raus.Nach einem kurzen Pfiff meines Nebenmannes versperrt mir der Hühne den Weg. Ich bitte ihn höflich, mich durchzulassen.

 Zuerst stellt er sich taub, kurz vor der Abfahrt gibt er doch den Weg frei. Ich schaffe es auf den Bahnsteig und sehe, wie auch er kurz auf den Bahnsteig springt, eine Art Freudentanz aufführt und wieder in die Metro springt. Ich habe ein ungutes Gefühl: Natürlich, der Geldbeutel ist weg.

Ich gehe auf das Polizeirevier. Nicht, daß ich Hoffnungen hätte, meine 120 Euro wiederzusehen, aber ich will der Polizei die Masche des Diebstahls erzählen und die Statistik verschönern. Außerdem interessiert mich, wie die Polizei hier funktioniert. Das Kommissariat ist eine Ansammlung von Blechcontainern, die zu einer Festung ausgebaut sind, mit Barrikaden und Doppelposten mit Maschinenpistolen und Leibesvisitationen am Eingang.

Der gutgelaunte Polizist erzählt mir von seiner Bewunderung für die deutsche Panzerwaffe.

Drinnen Normalität. Ein Stadtstreicher verbreitet in der heißen Baracke einen solchen Gestank, daß eine Polizistin routiniert Räucherstäbchen entzündet. Das hilft. Ich werde aufgerufen. Mein Fall ist natürlich Routine. Der gutgelaunte Polizist, der den Fall zu Protokoll nimmt, erzählt mir von seiner Bewunderung für die deutsche Panzerwaffe. Guderian und Rommel seien seine Helden. In 14 Tagen hätten sie die beste Armee der Welt – die französische – besiegt. „Klotzen nicht kleckern“ sei sein Lebensmotto.

Neben mir wurde einem alten Mann auch in der Metro der Rucksack mit Geld, Kreditkarten, lebenswichtigen Medikamenten und wichtigen Unterlagen gestohlen. Die Polizistin, die den Fall aufnimmt, handelt wie eine Sozialarbeiterin, veranlaßt Kartensperren, kontaktiert die Sozialversicherung und das Fundbüro. Sie ist Lothringerin und erzählt, daß sie nur noch in DM-Märkten im Saarland einkaufe. Die Preise seien dort fünfmal billiger und die Qualität besser. Beide, mein Panzerfreund und die Drogeriekundin, sind sich einig, daß in Deutschland alles besser ist.