© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/17 / 25. August 2017

Stück für Stück
Spiel für jung und alt: Obwohl bereits vor über 200 Jahre erfunden, erfreuen sich Puzzles immer noch großer Beliebtheit und neuer Weiterentwicklungen
Karl-Heinz Schuck

Puzzlespiele begleiten Kinder und Erwachsene bereits seit Jahrhunderten. In den letzten Jahren werden sie zunehmend auch von psychologischer Seite untersucht, und es wird zu ihrer Wirkung auf den Menschen geforscht, wobei die entsprechenden Ergebnisse wenig überraschend sind: unsere Jüngsten schulen mit den Legespielen ihre Aufmerksamkeit und Geduld und trainieren zudem abstraktes Denkens und Feinmotorik. Erwachsene profitieren von der entspannenden Wirkung und dem damit einhergehendem Streßabbbau.

Hätte sich der Kartenmacher John Spilsbury 1763, als er in London eine Landkarte auf dünnes Holz klebte und anschließend entlang der Grenzen zersägte, träumen lassen, daß er nicht nur ein neues Lehrmittel für den Erdkundeunterricht ersann und verkaufte, sondern auch ein geselliges Spiel schuf, welches noch heute Menschen weltweit begeistert?

In Deutschland erschienen die ersten Puzzles um 1800, damals noch aus sehr wenigen Teilen bestehend und als Spiel zur Geduldsprüfung und Unterhaltung deklariert. Lange Zeit waren sie ein Zeitvertreib der wohlhabenden Gesellschaftsschichten, handelte es sich doch um Einzelanfertigungen auf teuren, importierten Edelhölzern. Weite Verbreitung fanden sie erst nach Übergang auf Fertigung aus Sperrholz und schließlich aus dem heute noch üblichen Karton gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Von Europa ausgehend wurden sie nun zu einem weltweit beliebten Zeitvertreib. Kreative neue Schnittformen zur Teileherstellung erhöhten dabei zunehmend den Schwierigkeitsgrad und somit die Attraktivität.

Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich das Kartonmaterial endgültig als Standard in der Herstellung, und die 1940 entwickelte Stanztechnik löste das Aussägen der Teile ab. Nun wurden bereits Spiele mit mehr als 1.000 Teilen hergestellt. In den 1960ern kam es zu einem regelrechten Puzzle-Boom. Gelegte Spiele wurden damals gerne auf Korkplatten montiert und aufgehängt, um so eine individuelle Wandgestaltung zu erhalten. 

Und die Attraktivität hält bis heute ungebrochen an – es gibt mittlerweile eine Unzahl von Motiven und unterschiedlichste Teilezahlen, wobei ein erfolgreiches Spiel Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren erreichen kann. Kein Wunder, da die Zuschnitte immer präziser und die Farb- und Druckqualitäten immer besser werden.

Rekordpuzzle hat 1.141.800 Teile

Wer besondere Herausforderungen sucht, kann sich mittlerweile auch an Puzzlebällen, die eine Kugel bilden, dreidimensionalen Puzzles oder Skulpturenpuzzles probieren. Für Individualisten können Fotopuzzles nach eigenen Motiven hergestellt werden, und wer den Riechsinn mitarbeiten lassen will, kann sogar zu einem Spiel mit Blumenduft greifen.

Die einfachsten Puzzlespiele für Kinder haben vier bis fünf Teile, und für fortgeschrittene Erwachsene gibt es welche mit mehr als 10.000 Teilen. Das größte Puzzle der Welt hat sogar mehr als 40.000 Teile und nimmt eine Fläche von etwa 13 Quadratmetern ein, wohingegen das Kleinste nur fünf Quadratmillimeter Fläche einnimmt. Dennoch besteht es aus 100 Einzelteilen in Staubkorngröße. Geschaffen wurde es im Laserzentrum Hannover.

Ebenso finden – denn sportlich muß es auch bei diesem Zeitvertreib zugehen – Wettkämpfe statt, bei denen alle Teilnehmer das gleiche Motiv in möglichst kurzer Zeit legen müssen. Um einen Eintrag in das berühmte Guinness-Buch der Rekorde zu erlangen, wurde in Ravensburg 2009 ein Puzzle mit 1.141.800 Teilen geschaffen. 15.000 Menschen setzten diese zu einer 600 Quadratmeter großen Fläche innerhalb von fünf Stunden zusammen. Genaugenommen besteht es aber aus über 4.000 einzelnen und miteinander verbundenen Puzzles.

Erfahrene Puzzlefreunde schreiben ihrem Spiel übrigens einen hohen Suchtfaktor zu: Hat man ein Puzzle erst einmal begonnen, so kann man damit nur sehr schwer wieder aufhören, ehe das letzte Teil gelegt ist.