© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/17 / 01. September 2017

Fremde Legion
Ursula von der Leyen: Mit der Bundeswehr konnte die Verteidigungsministerin nie richtig warm werden / Tiefes Mißtrauen in der Truppe
Peter Möller

Ein Foto wird von Ursula von der Leyens Ära als Verteidigungsministerin in Erinnerung bleiben. Es zeigt die Ministerin im August 2014 in einer schwarzen Lederjacke mit verschränkten Armen vor einer Transall der Luftwaffe vor einem dramatischen Wolkenhimmel. Später wird sie klarstellen, daß es sich „nur“ um eine Jeansjacke ihrer Tochter gehandelt habe – doch da waren die Assoziationen mit dem amerikanischen Flieger-Film „Top Gun“ schon in der Welt, und nicht nur im politischen Berlin wurde über die überzogen wirkende Inszenierung von „Foto-Uschi“ gelästert. Damals stand von der Leyen am Beginn ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin. Heute, am Ende der Legislaturperiode, wäre die CDU-Politikerin vermutlich froh, wenn sie lediglich mit einem Foto für Kritik sorgen würde.

Sondersitzung im            Verteidigungsausschuß

Denn in den vergangenen Monaten durchlebte von der Leyen die tiefste Krise ihrer bisherigen politischen Karriere. Was sie dabei vermutlich am meisten schmerzen dürfte: Sie hat sich selbst in diese Lage manövriert. Seit ihrem holprigen Krisenmanagement während der tatsächlichen oder vermeintlichen Skandale der vergangenen Monate gilt nicht nur das Verhältnis der Ministerin zur militärischen Führung der Bundeswehr als irreparabel beschädigt. Unter den höheren Offizieren herrscht der Eindruck, daß von der Leyen ihnen nicht vertraut. Der pauschale Vorwurf der CDU-Politikerin, die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem, hat sich tief eingebrannt – ebenso die Durchsuchung aller Kasernen nach Wehrmachtsdevotionalien im Zuge der Traditionsdebatte nach den Terrorvorwürfen gegen einen Oberleutnant. Die Ministerin, so der verbreitete Eindruck, fremdelt noch immer mit ihrem Amt.

Zur Mitte der Wahlperiode sah das noch ganz anders aus. Damals erschienen zeitgleich zwei Biographien über von der Leyen, die ihr als „Kanzlerin der Reserve“ (so einer der Buchtitel) beste Chancen auf die Nachfolge Angela Merkels als Bundeskanzlerin einräumten. Und auch nach den Turbulenzen der vergangenen Monate und der dabei zutage getretenen Führungsschwäche ist die Bilanz der CDU-Politikerin als Verteidigungsministerin nicht durchweg negativ.

Kritiker halten ihr etwa zugute, daß sie drängende Probleme der Bundeswehr, wie die unzureichende Materialausstattung, zumindest thematisiert hat – auch wenn positive Ergebnisse meist noch auf sich warten lassen. Eindeutig auf der Haben-Seite steht die im April dieses Jahres erfolgte Aufstellung eines eigenständigen Kommandos Cyber- und Informationsraum unter Generalleutnant Ludwig Leinhos, mit dem die Bundeswehr endlich den Anschluß auf dem Gebiet der immer wichtiger werdenden Cyberkriegsführung schaffen soll.

Rückblickend kann die bisherige Amtszeit von der Leyens im Berliner Bendlerblock auch aus einem andern Grund als eine Zäsur gewertet werden: Das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges stehen die Zeichen bei der in den vergangenen Jahrzehnten arg dezimierten Truppe vor dem Hintergrund der Rolle Rußlands in der Ukraine-Krise wieder auf Aufrüstung: Mehr Geld, mehr Material, mehr Soldaten – so lautet zumindest der Plan. So verkündete von der Leyen Anfang 2015 das Ende des „Dynamische Verfügbarkeitsmanagement“. Dieses sieht vor, daß Einheiten nicht zu 100, sondern nur durchschnittlich zu 75 Prozent mit Großgerät ausgestattet werden, um Material zu sparen. 

Künftig sollen die Einheiten wieder voll ausgestattet werden. In diesem Zusammenhang kündigte sie die Reaktivierung von rund hundert ausgemusterter Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. Bis heute ist noch keiner der neuen, alten Panzer einsatzbereit. Dabei hat von der Leyen eigens die Unternehmensberaterin Katrin Suder als Staatssekretärin installiert, um die Beschaffung neuer Ausrüstung, die sich vor allem bei Großprojekten wie dem Schützenpanzer Puma oder dem Transportflugzeug Airbus A400M regelmäßig um Jahre verzögert, wieder berechenbarer zu machen. Bislang jedoch ohne durchschlagenden Erfolg.

Und auch die sogenannte Attraktivitätsoffensive, die sie zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt hat, und die unter anderem die Ausstattung der Unterkünfte mit Flachbildschirmen vorsieht, hat der Bundeswehr viel Häme, aber bislang keine meßbaren Erfolge eingebracht. Immer noch leidet die Truppe unter Nachwuchsproblemen und hat Schwierigkeiten, ihre Sollstärke zu erreichen. Auch ihr im Zusammenhang mit den Terrorvorwürfen gegen den Oberleutnant Franco A. verkündeter radikaler Bruch mit jeglichen Traditionen der Wehrmacht und die Ankündigung, den Traditionserlaß zu überarbeiten, hat ihr viel Kritik eingebracht.

Die Opposition – allen voran die SPD – versucht die derzeitige Schwäche der einstigen CDU-Hoffnungsträgerin für den Wahlkampf zu nutzen. Für den kommenden Dienstag ist daher eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses angesetzt, auf der der Ministerin unangenehme Fragen gestellt werden dürften. „Angesichts der inneren Lage der Bundeswehr darf zum Beispiel ein neuer Traditionserlaß nicht ohne die Debatte des Parlamentes in Kraft gesetzt werden“, begründete der Ausschußvorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) diesen Schritt gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Wer seinen Posten         behalten will, schweigt“

Wohin nach dem Willen der Ministerin die Reise bei diesem Thema gehen soll, machte sie Mitte August bei einer Rede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg noch einmal deutlich. Ihrer Ansicht nach müsse die Bundeswehr „ihre eigene stolze Tradition viel stärker herausstellen“. Gleichzeitig bekräftigte sie, daß die Wehrmacht ihrer Ansicht nach „nicht traditionsstiftend für die Bundeswehr sein“ könne. Ausgenommen seien davon lediglich herausragende Persönlichkeiten des Widerstands gegen Hitler.

Ob sich in der Truppe nun tatsächlich eine offene Diskussion über die künftige Traditionspflege entwickeln wird, scheint zweifelhaft. „Die Generäle und Stabsoffiziere haben begriffen: Wer seinen Posten behalten will, der schweigt. Es gilt mehr denn je: Nicht auffallen, bloß keine abweichende Meinung äußern“, beschrieb der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung das derzeitige Klima in der Bundeswehr. Sein Fazit: Es herrsche Kadavergehorsam.

Daß Ursula von der Leyen von sich aus nach der Bundestagswahl erneut den Posten der Verteidigungsministerin anstrebt, gilt nach den Erfahrungen der vergangenen Monate als ausgeschlossen. Gut möglich auch, daß Merkel das krisenanfällige Ressort bei einer Neuauflage der Großen Koalition der SPD überläßt. Für die ehrgeizige CDU-Politikerin aus Niedersachsen, soviel scheint mittlerweile aber sicher, dürfte es dennoch eine Anschlußverwendung geben.